30. November 2015

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Diese Wohnung ist keine Wohnung, sondern ein kleines Häuschen, wie es so viele in niederländischen Städten gibt. Es stammt ungefähr aus den Sechzigern, ist aus rotem Backstein gemauert und mit ebenso rotem Dach und viel weißem Holz an Fenster- und Türrahmen sowie der Dachblende. Vorne an der schmalen Straßenseite hat es das typische große Fenster und daneben nur eine blau gestrichene Tür mit kleinem Fensterchen. Rechts neben dem Haus ist eine Garage, die zum Nachbarhaus gehört, und dazwischen befindet sich ein Gässchen von nicht mal einem Meter Breite, das vermutlich in den Garten führt.
Ich bin schon oft daran vorbei gefahren.

Zeitgleich mit unserer Ankunft steigt ein älterer Herr aus einem am Straßenrand geparkten Auto. Er spricht uns an, stellt sich mit Willem de Vos vor, gibt uns seine Visitenkarte und sagt, dass er der Vermieter ist. Wir stellen uns ebenfalls vor. Ich nehme die Karte an mich und lese, dass Herr de Vos auch in Zuyderkerk wohnt.
Das klingt ganz gut. Die Stadtteil-Variante ist das Vermietermodell, das mich bisher am meisten überzeugt hat. Im Notfall ist er nicht weit weg; falls man sich ausgesperrt hat(148), kann man den Vermieter auch zu Fuß besuchen, um den Ersatzschlüssel abzuholen. Aber er wird nicht einfach so unangemeldet vor der Tür stehen, denn er weiß ja nicht, ob man gerade nach Hause gekommen ist. Ich habe auch schon mit dem Vermieter unter einem Dach gewohnt, was eine mehr oder minder diskrete Dauerüberwachung war, und der Vermieter meiner ersten Studentenbude in Alkmaar wohnte an die hundert Kilometer entfernt und war nie da, wenn man ihn brauchte.
Da öffnen Herr und Frau Brouwer schon die Haustür. Das Vorstellen geht weiter und wir knubbeln uns alle fünf im Flur.
Links geht eine Treppe hoch in den ersten Stock, der zugleich das Dachgeschoss ist. Die Stufen sind mit weinrotem Teppich verkleidet. Sollten wir hier einziehen, werde ich als allererstes diese Stolperfalle beseitigen.
Herr Brouwer führt uns jedoch nach rechts ins große Wohnzimmer. Das ist wie in einer typischen Alte-Leute-Wohnung. Gemütlich, leicht miefig und etwas verstaubt, zugestellt mit klobigen alten Möbeln, voller Fotos und Erinnerungsstücke, der Fernseher viel zu laut und natürlich eine dicke Katze auf dem Sofa. Von hier aus kann man auch alles beobachten, was auf Straße und Gracht passiert. Die Kaap Hoorn kann ich leider nicht sehen, die Gracht hat in der Mitte eine Biegung und mein Liegeplatz ist dahinter.
Wir verlassen das Zimmer und gehen zur nächsten Tür.
Der Flur macht hier einen 45-Grad-Knick, damit man unter der Treppe herkommt. Der Winkel unter der Treppe ist mit einem geblümten Vorhang versehen, Frau Brouwer zeigt uns, was dahinter ist: Staubsauger, Besen, Getränkekästen und in einem Regal Schuhputzzeug, Ersatzglühbirnen und was man so hat.
Zur Linken ist das Bad, es enthält natürlich Klo, Waschbecken und Dusche, dazu Waschmaschine und Trockner (und wenn man will, auch einen großen Wäscheständer) und es hat ein großes Fenster, durch das man in den Garten sehen kann. Ich glaube, hier will ich bleiben.
Am Ende des Flurs befindet sich die Küche, und wenn ich gedacht habe, wir hätten uns im Flur geknubbelt, werde ich eines Besseren belehrt. Gut dass ich dünn bin, sonst könnte ich mich nicht mehr umdrehen. Nein, hier will ich nicht bleiben!
Herr de Vos betont den Nutzen der integrierten Abstellkammer, die sogar ein Fenster in Schießschartengröße hat, sodass man problemlos lüften kann. Frau Brouwer schiebt sich an ihm vorbei und öffnet das wesentlich größere Küchenfenster, durch das man aufs Nachbargrundstück und die Garagenrückwand gucken kann. Sie erklärt, dass nebenan eine Familie mit drei lieben Mädchen wohnt.

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