30. November 2015

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„Aha“, macht sie und hat wahrscheinlich nichts verstanden; aus einem einfachen Grund: sie kennt Gott nicht. „Und wann werden wir ein Lied mit niederländischem Text von dir kriegen? Dann müsstest du nicht immer übersetzen und erklären.“
„Gar nicht.“
„Wieso nicht? Du schreibst geile Lieder, einen Ohrwurm nach dem nächsten.“
„Schön, dass sie dir gefallen, aber ich werde keine niederländischen Lieder schreiben.“
„Warum nicht? Dein Niederländisch ist in den letzten Wochen viel besser geworden.“
„Aber es ist die falsche Sprache.“
„Was ist denn falsch an der Sprache? Wir reden doch die ganze Zeit damit?“
Schon wieder steht er da und weiß nicht, wie er es erklären soll. Und ich frage mich, warum er bloß so einen sprachlosen Tag hat.
Dieses Mal springt Lisanne in die Bresche: „Merle, du weißt doch, wie unser Bassist tickt. Wenigstens ungefähr. Nach außen ist er der Coolste, und das ist gut so, denn der Bassist ist immer der Coolste von der ganzen Band. Aber nach innen ist er voller Gefühle – muss ja nicht jeder mitkriegen! Es ist völlig egal, wie gut er Niederländisch spricht, das wird nie seine Herzenssprache werden. Seine Lieder kommen alle aus dem Herzen, und Serbisch ist die Sprache seines Herzens.“
Wieder sagt er erleichtert „Ja.“

Auf dem Heimweg denke ich über diese Sache mit der Herzenssprache nach. Warum habe ich nicht längst angefangen, serbisch zu lernen? Will ich denn damit warten, bis er eines Tages seine Angst vor den Leuten in Peckovar verliert und mich in seine erste Heimat einlädt?
Schon mehrfach hat er es mir angeboten, mein „Wortschätzchen“ (das Begriffe wie ja, nein, guten Tag enthält und die Zahlen von eins bis vier) zu erweitern. Und im Gegenzug habe ich schon mehrfach festgestellt, dass wir uns besser kennen lernen müssen. Das ist wichtig für mich, gerade weil ich ja oft nicht weiß, was andere Menschen von mir erwarten. Zu wissen, wie die anderen denken, fühlen und handeln, gibt mir Sicherheit.
Ich bin nicht besonders erfolgreich mit Fremdsprachen, aber ich weiß, dass ich ihm eine große Freude machen würde.

Samstags finden Pieters und Becks’ Umzüge statt. Morgens versammeln sich die beiden Umzugshelferteams an den „Ausgangswohnungen“ in Zuyderkerk und Edam, um das Hab und Gut einzuladen. Wir sind nur zu viert (Pieter und sein Vater, der aber nicht schwer heben darf, sowie Miloš und ich) gegenüber acht Leuten im anderen Team und dazu haben wir auch eine längere Fahrt bis IJmuiden, aber wir sind trotzdem schneller und können einen freien Parkplatz direkt vorm Haus ergattern.
Als Auto und Anhänger gerade leer sind, treffen die Edamer ein und können den Platz übernehmen. Ich bleibe mit Pieters Vater in der Wohnung, um schon Schränke aufzubauen, während Miloš dem anderen Team beim Schleppen hilft. Becks hat natürlich viel mehr Zeug.
Pieter ist überall zugleich, glaube ich, und irgendwann erteile ich ein Zimmerverbot. Ich kann mich nicht auf den Möbelaufbau konzentrieren, wenn er ständig aufkreuzt und gute Tipps gibt, die wir nicht brauchen. Er sieht auch schon völlig fertig aus, ich möchte nicht wissen, wie wenig er letzte Nacht geschlafen hat.
Mittags verabschieden sich die meisten Edamer und wir vier erledigen zusammen mit Becks und einer Freundin den Rest.
Pieter hat übrigens Recht, die neue Wohnung ist eine Pracht. Schon im jetzigen chaotischen Zustand ist das zu sehen. Sie wirkt viel größer als sie ist, was vermutlich mit den hohen Decken und daraus resultierend großen Fenstern zu tun hat. Na ja, und sie ist natürlich tiptop renoviert, die Wände strahlen Helligkeit aus, selbst an einem diesigen Tag wie heute. Das Parkett ist dunkel, rötlich, gelblich und ich überlege die ganze Zeit, welche Hölzer verwendet wurden. Ich komme nicht drauf. Wahrscheinlich sind es tropische Sorten. Auf kleinen Flächen würde die Vielfalt unordentlich aussehen, aber in den großen Zimmern sieht es wie eine lebendige Struktur aus.
Ob Miloš und ich das überbieten können? Ich weiß nicht mal, ob es in Zuyderkerk solche Wohnungen gibt und wenn ja, wo. Und was sie kosten.

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