30. November 2015

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Nachdem wir ein älteres Lied gespielt haben (und Miloš außer Rhythmus nichts von mir zu hören gekriegt hat), wendet Lisanne sich an ihn: „Hast du noch mehr Neues?“
Er zieht ein kleines Heft aus der Hosentasche und blättert darin. Merle will mitlesen, aber er dreht sich weg.
„Lass doch mal gucken“, beschwert sie sich.
„Nein“, macht er und hält das Heft so, dass sie nicht hineingucken kann.
„Gib es mir, ja?“, bettelt sie.
„Nein. Es stehen sehr persönliche Sachen drin.“
Scheint so, dass jetzt ihr Ehrgeiz erwacht ist. Sie will seinen Arm zu sich ziehen, um mit der anderen Hand das Heft zu erwischen, aber damit ist sie natürlich an der falschen Adresse. Miloš ist viel schneller als sie. „Ich habe dir gesagt, du kriegst es nicht!“
Auch wenn er sich Mühe gibt, dass es keiner merkt, ist er doch nicht so gelassen wie sonst.
„Merle“, gehe ich dazwischen. „Lass ihn in Ruhe! Wahrscheinlich könntest du ohnehin nichts lesen, oder glaubst du, dass er niederländisch schreibt?“
„Ja, aber wenn es doch sowieso in der Bassistengeheimsprache ist, warum hat er mich dann nicht reingucken lassen? Da hätte ich ja eh’ nichts kapiert!“
„Aber es geht dich nichts an, was er in seiner Bassistengeheimsprache in sein heimliches Heft schreibt. Das ist es, was er versucht dir klar zu machen.“
„Das hätte er ja sagen können.“
Ich schüttele den Kopf, dazu fällt mir bald nichts mehr ein. „Hat er gesagt, dass sehr persönliche Sachen drinstehen oder habe ich mir das nur eingebildet?“ Und wofür mache ich eigentlich Harmonieübungen, wenn danach gleich weiter gezankt wird?
Sie brummt etwas wie „Fangt halt an Musik zu machen!“
Das tut er mit seinen typisch trockenen Bassläufen.(143)
Und ich kenne, was er spielt. „Ist das nicht“, fange ich an.
Er grinst. „Sag es nicht, sondern mach uns einen Rhythmus dazu.“
Ich trommele, halte mich aber nicht genau ans Original „All along the watchtower“ von meinen Kumpels von U2. Vorgetragen von dem Menschen, der ganz sicher nicht mit deren Liedern auftreten wollte. Da bin ich ja mal gespannt!
Nach drei Durchläufen singt er einen serbischen Text dazu.
Wir improvisieren, bis wir eine gute Version aufnehmen können.
Lisanne verteilt die CDs und will wissen: „Hier kommt die Frage, die immer kommt. Worum geht’s in dem Lied?“
„Grob zusammen gefasst ist es, dass Gott nicht irgendwas von mir verlangt, also dass ich seine Gebote halte oder in der Bibel lese oder nett zu allen Menschen bin, sondern er will Zeit mit mir haben. Das ist der Refrain: Komm mich besuchen, ich warte auf dich, ich koch uns Kaffee, lass uns zusammen sein.“
„Aber der verlangt doch jetzt von dir, dass du ein Jahr lang solo bist und nicht säufst und nicht kiffst, also alles sein lässt, was Spaß macht?“, fragt Merle.
Darauf weiß er keine Antwort. Deswegen versuche ich zu helfen: „Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber ich glaube nicht, dass Gott ihn in seiner Freiheit einschränken will. Eher will er ihm eine neue Freiheit zeigen. Nämlich die, mit Situationen des Lebens anders umzugehen. Er sagt ja, dass Gott auch helfen will, wenn er ihn lässt.“
„Ja“, sagt Miloš erleichtert.

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