30. November 2015

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„Nein, genau das ist das Problem. Ich hab mir gedacht, wir hängen eine Liste mit den Terminen auf und deine Mitarbeiter fahren uns gegen so unbezahlbare Dinge wie Freikarten, Live-Musik und so.“
Er grinst. „Da werden meine werten Mitarbeiter nicht nein sagen können. Ich werde es bei der Betriebsversammlung Ende nächster Woche vorstellen. Mach bitte bis dahin eine Liste mit den nächsten paar Terminen fertig, mit Datum, Uhrzeit und der genauen Adresse.“
„Tu ich.“
„Leserlich“, fügt er hinzu.
„Ich engagiere einen Schreiber.“
Steven guckt zur Uhr und sagt: „Und da fällt mir ein, es sollte doch diesen Film vom Festival geben … ist da was draus geworden oder waren es nur leere Versprechungen?“
„Ist noch nicht angekommen. Wir sollten ihn mit der Post kriegen, aber vor Ablauf von zwei Wochen ruf ich nicht an, um mich zu beschweren. Die haben nach so einem Festival noch anderes zu tun als nur Filmchen zu verschicken.“
Er nickt. „Jedenfalls, wenn er da ist, könnt ihr ihn hier unten im Aufenthaltsraum angucken. Lisanne war ja neulich ganz begeistert von unserem großen Fernseher.“
„Danke, das ist nett, aber wir würden das gerne erst mal alleine angucken“, weiche ich aus.
„Kann ich völlig verstehen. Es ist ja euer großer Tag gewesen. Schmeißt die Mehlsäcke einfach raus, die da rumlungern. Die können ihren Kaffee auch woanders schlürfen.“ Wieder guckt er zur Uhr. Jetzt nimmt er sein Telefon vom Gürtel, sagt mir „Warte mal kurz“ und drückt zwei Tasten. Ins Gerät sagt er „Fertig? … Gut. … Ja, ist unterwegs.“
„Hast du noch einen Termin? Ich bin durch mit meinen Anliegen.“
„Nein, ist okay. Also, wir machen es so“, sagt er grinsend und verabschiedet sich in Richtung seines Büros.

Ratlos verlasse ich die Backstube. Warum hat er das Gespräch hier in all dem Lärm gehalten, obwohl er doch gar nichts in der Bäckerei zu tun gehabt hat? Wollte er mich nicht in seinem Büro haben?
Auf der Treppe in den ersten Stock höre ich, dass jemand trommelt. Das dürfte Miloš sein, was ein gutes Zeichen ist, denn es heißt, dass er seine Abwesenheit für die Bandprobe unterbricht – wenn nicht sogar beendet. Das wäre wirklich schön, denn was bringt es, einen Mitbewohner zu haben, der nie da ist?
Ich betrete den großen Raum mit der langen Fensterseite, sehe, dass die Mädels auch schon da sind (bin ich denn etwa schon wieder zu spät dran? So lange hat das Gespräch mit Steven nicht gedauert) und dann fällt mir fast die Kinnlade runter. „Wo sind meine Trommeln? Und woher kommt das da?“ Ich weise auf das anscheinend nigelnagelneue Schlagzeug, das an der Stelle von meinem auf dem alten Teppich steht.
Miloš steht auf und überlässt mir mit großer Geste den Platz.
„Äh“, mache ich. „Darf ich mal fragen…?“
„Wir gratulieren herzlich zur gewonnenen Wette. Schwarz. Zeitlos und professionell“, erklärt Merle fröhlich.
Ich gehe um die glänzende Pracht herum. Das Höckerchen dahinter ist pink und weist Gebrauchsspuren auf, die ich sehr gut kenne. „Wie habt ihr denn das gemacht?“, will ich verdattert wissen. „Und wann?“
„Zwischen Samstagmorgen und heute“, sagt Lisanne. „Mein Bruder ist ja Lackierer, er hat uns ein paar Tipps gegeben und wir durften sogar die Werkstatt seines Chefs benutzen. Als du am Samstag zu Cokko gefahren bist, haben wir es in die Werkstatt gebracht und abgeschliffen, am Sonntag und gestern neu lackiert und heute konnten wir endlich alles zurück bringen und aufbauen. Gut, dass Steven dich eine Weile in der Backstube festgehalten hat, sonst hättest du mitgekriegt, dass wir noch am Stimmen sind.“
Überwältigt schüttele ich den Kopf, gehe zu ihnen hin und umarme sie einen nach dem anderen. „Deswegen warst du nie in der Schule und zuhause“, enttarne ich Miloš.

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