30. November 2015

280

achtundachtzigstes Kapitel

Auch beim Frühstück denke ich noch über die beiden nach, aber ich bin ein paar Kapitel weiter. Wenn er eines Tages mit seiner Freundin zusammen zieht (auch wenn er noch nicht darüber nachdenkt), werde ich mir die gemeinsame Wohnung nicht mehr leisten können und dann erneut umziehen müssen. Wäre es da nicht einfacher, hier zu bleiben, auch wenn die Wohnung für zwei unpraktisch und für drei zu klein ist? Ich hasse umziehen. Alles muss ein- und in der neuen Wohnung wieder ausgepackt werden, die Dinge brauchen eine neue Ordnung. Und der ganze Dreck! Und wehe, man sucht etwas, das schon oder noch im Karton ist!

Jetzt höre ich jemanden zur Wohnungstür herein kommen. Wer mag das sein? Mommi und Pieter klopfen für gewöhnlich an und Cokko holt mich bestimmt nicht hier ab!
Also bleibt nur mein Mitbewohner, der ja das ganze Wochenende in Alkmaar verbringt. Er zieht die Schuhe aus und lässt an der Tür zum Wohnzimmer seine Tasche fallen. Die Plastikfüßchen am Taschenboden erzeugen ein klackerndes Geräusch auf den Dielen.
In der Küchentür bleibt er stehen. „Was tust du hier?“
„Wie, was tue ich hier? Zufälligerweise wohne ich in dieser Wohnung.“
„Du wolltest Cokko besuchen“, erinnert er, nimmt eine Tasse vom Brett, lässt sich auf seinem Stuhl nieder und gießt sich die zweite Hälfte meines Frühstückskaffees ein.
„Das stimmt.“ Hört sich das nur so an oder ist ihm meine Anwesenheit gerade überhaupt nicht recht? „Ich nehme den Zug um zehn. Was aber tust du hier?“
„Kaffee trinken.“
„Das sehe ich, aber du wolltest doch bis Sonntag bei Helena sein?!“
„Ist vorbei.“
„Wie meinst du das?“ Erst jetzt bemerke ich, dass er unrasiert ist! Du liebe Zeit!
„Na ja, vorbei. Aus. Ende.“ Er guckt auf die Uhr, „Ich habe vor anderthalb Stunden Schluss gemacht.“
Ich begreife immer weniger. Das einzige, was ich aus seiner Körpersprache lesen kann, ist, dass er sehr, sehr wütend zu sein scheint. „Was ist passiert?“, frage ich vorsichtig, damit mir nicht gleich der ganze Dampfkessel um die Ohren fliegt.
„Du kannst Helena fragen, wenn es dir so wichtig ist.“
Inzwischen kenne ich seine sieben Gesichtsausdrücke(140), und diesen hat er nur, wenn jeder Überredungsversuch zwecklos ist.

Als ich nach dem Umsteigen in Hoorn im Zug nach Rotterdam sitze und die Zeitung meines Sitzgegenübers im Blickfeld habe, erkenne ich die Ironie des Schicksals. Helena ist nun in zwei Jahren hintereinander am selben Tag Single geworden. Letztes Jahr hat sie mich verlassen und dieses Jahr hat Miloš sie verlassen.
Scheinbar ist der sechste September kein gutes Datum für sie!
Und natürlich werde ich sie nicht fragen, womit sie sich die Beziehung ruiniert hat. Eher warte ich ein Weilchen ab, bis mein Freund es mir in einem schwachen Moment selbst erzählt. Diese Momente gibt es nämlich durchaus, auch wenn er sie sicher anders nennen würde.

Cokko holt mich am Bahnsteig ab. Nach der Begrüßung wünsche ich zu erfahren: „Woher wusstest du, wann ich komme? Oder hast du den ganzen Vormittag hier auf mich gewartet?“
„Du bist jetzt zwar ein Rockstar, aber das mit den Telefonen hast du noch nicht begriffen, was?“, lacht er. „Ich habe vorhin bei euch angerufen und wollte wissen, wann du kommst. Miloš hat mir gesagt, welchen Zug du genommen hast. Da konnte ich mir ausrechnen, wann du hier sein würdest.“

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