„Natürlich verstehst du die niederländische. Aber du hast gesagt, wenn es schnell gehen muss, schreibst du in kyrillischen Buchstaben. Deswegen habe ich diese Bibel ausgesucht. Ich will, dass du im Schlaf verstehst, was du liest. Es ist die zweite Hälfte der Bibel, nämlich die, in der erst Jesus dabei ist und dann der Heilige Geist kommt. Die erste Hälfte kannst du dir dann später mal selber zulegen. Und am besten fängst du hier an zu lesen“ Ich blättere das Büchlein auf und versuche die fremden Buchstaben zu entziffern: „Mattej.“
„Матеј“, korrigiert Miloš.
Meine Version klang doch genauso? Ich umgehe diese Klippe, „Jedenfalls hat er die Gute Nachricht in die Sprache seiner Freunde übersetzt, deswegen ist es leicht zu kapieren, worum es geht. Er hat sehr viel erklärt. Danach kommen noch drei andere Berichte von Freunden von Jesus, die sein Leben aufgeschrieben haben und diverse Kapitel, zu denen ich dir was erzählen kann, wenn du soweit bist mit Lesen.“
Den Rest des Tages ist er nicht mehr ohne seine Bibel zu sehen. Ich bin zwischendurch eine Weile bei Mommi und mehrere Weilen bei Pieter und nach einem kurzen Aufenthalt zuhause noch im Proberaum, um meine Jacke abzuholen, die seit gestern Mittag da liegt. Miloš liest und liest. Er scheint sogar seine Freundin vergessen zu haben, mit der er erst einen Tag zusammen ist und die ihn heute gerne gesehen hätte, wie ich sie kenne.
siebenundachtzigstes Kapitel
Montags lasse ich meine Kollegen und Kolleginnen so viel von Musik reden wie sie wollen. Als Ausgleich gibt es keine Pizzabrötchen. Trotzdem sind alle begeistert. Selbst Jenny Walraven von der Schulleitung kommt in unsere Gruppenräume und gratuliert mir zum Erfolg.
Natürlich wollen auch alle wissen, wann und wo wir das nächste Mal zu erleben sind und es ist gut, dass Grietje noch ein paar Flyer in der Handtasche hat. Ich muss mir angewöhnen, immer welche einstecken zu haben.
Und sie wollen den Film vom Festival sehen, denn ständig sind Kameraleute auf der Bühne unterwegs gewesen; Merle ist sogar mit einem zusammengestoßen. Ich habe sie kaum wahrgenommen, so konzentriert war ich. Ich verspreche eine Vorführung zu organisieren – vorher muss ich das Werk aber mal selber angucken, damit ich weiß, wie ich darauf aussehe.
Die ganze Woche habe ich mit der Eifersucht zu tun, sie fällt mich zu den ungünstigsten Momenten an wie ein tollwütiger Hund. Ich schicke sie jedes Mal wieder dahin, wo sie hergekommen ist und verbiete ihr in Jesus’ Namen, mein Leben zu beeinträchtigen.
Donnerstags ist der Kampf endlich gewonnen und das ist gut so, denn abends kommt Helena zu Besuch(139) und ich schaffe es nicht immer, wegzuhören oder wegzugucken, wenn sie sich berühren, ansehen, sich liebe Worte zumurmeln und so weiter. Keineswegs kuscheln sie die ganze Zeit miteinander, aber es knistert ganz schön zwischen ihnen. Die Wohnung ist zu klein für drei.
Als ich am Freitag zu Feierabend nach Hause komme, wird der errungene Sieg noch einmal auf die Probe gestellt.
Auf dem Küchentisch liegt nämlich ein Briefchen, drauf mein Name.
Ich falte die Nachricht auf und lese: „Lieber Jeremy, das gestern war keine gute Idee. Du hast recht, wenn du Helena nicht mehr hier haben willst. Ich lade sie nicht wieder ein, versprochen. Das funktioniert nicht. Ich werde das Wochenende bei ihr verbringen. Habe eine gute Zeit ohne mich … Gott segne dich. M.“
Ja, er segnet mich. Und wo Gottes Segen ist, hat Eifersucht keinen Platz.
Trotzdem gehe ich ein bisschen in mich. Wie finde ich das, wenn mein Kumpel das ganze Wochenende bei seiner Freundin verbringen will? Und was könnte sich daraus entwickeln? Ob sie schon nach so kurzer Zeit miteinander schlafen? Ob er ihr auch so verfällt wie ich ihr verfallen bin? Irgendwie hatte ich geglaubt, er würde nicht so schnell … oder ist es sie, die nachgibt? Das passt nicht zu ihr, zumindest nicht, wie sie früher war … aber zu ihm passt es erst recht nicht. Aber was weiß ich schon von seinem Verhalten in diesen Dingen? Nichts.
Ich hätte es lieber gehabt, er würde sich mehr nach unserem Gespräch über Christsein und Sex richten. Aber ich darf da ja nichts sagen, ich habe mich auch nicht dran gehalten, manipulierbar hin oder her.
Ich weiß zu wenig von ihm. Wir müssen uns besser kennen lernen.
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