29. November 2015

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Viele Minuten und ein halbes Bier später knüpfe ich an unser löcheriges Gespräch an. „Weißt du, ich wohne da, weil es nicht viel kostet. Wenn ich eine größere Wohnung habe, kann ich mir den Liegeplatz nicht mehr leisten. Oder mein Schiff. Oder mein Viertel Miete für den Proberaum.“
„Niemand redet davon, dass du die größere Wohnung alleine bezahlen sollst. Wir wohnen beide gleich viel drin, also zahlen wir auch beide gleich viel. Steven hat gesagt, ich kann in der Backstube helfen, dann wird es reichen mit dem Geld.“
„Aber du musst doch noch den Führerschein abbezahlen?“
„Ja, noch habe ich aber auch keine eigene Wohnung, nicht mal eine halbe. Übrigens, da wir gerade beim Thema Geld sind, wie viel Miete bekommst du von mir?“
„Miete?“, frage ich verständnislos nach. „Bist du verrückt?! Für das olle Werkstattsofa kann ich dir keine Miete abknöpfen!“
„Ich habe schon für schlechtere Schlafplätze Miete gezahlt.“
„Das ist mir klar, aber es heißt nicht, dass ich genauso handeln werde. Komm finanziell auf die Beine, und bis dahin kannst du dich bei den Lebensmitteln beteiligen.“
„Okay“, sagt er und zieht einen knitterigen Fünfziger aus der Hosentasche.
„Mach mich nicht verlegen.“
„Nimm es. Und eigentlich ist es viel zu wenig, du fütterst mich ja schon ein halbes Jahr lang durch.“
In diesem Moment geht die Tür auf und Merle kommt herein. Deswegen verkneife ich mir die Widerworte (durchfüttern – das klingt ja schrecklich!) und lasse den Schein verschwinden.
„Was macht ihr denn hier?“, wundert sie sich, redet aber gleich weiter: „Könnt ihr bitte mal raus gehen?“
„Warum?“
„Ich will mich umziehen.“ Wieder haben wir keine Gelegenheit, etwas zu tun, denn sie sagt: „Ach, versprecht einfach, nicht zu gucken.“
„Versprochen“, stimmen wir beide zu und gucken demonstrativ weg.
„Geht ihr gleich mit raus? Es ist voll geil draußen. Alle feiern und haben Spaß. Es gibt zwei Floors, Elektropop und Drum'n'Bass. Wer das nicht nutzt, ist selber schuld! Ich hab übrigens eine Einladung gekriegt von einem osteuropäischen Kulturzentrum in Amsterdam, die wollen uns als Hauptband zur Feier zum zwanzigjährigen Jubiläum. Cool, was? Ist im November. Mit deinen serbischen Texten sind wir echt was Besonderes.“ So schnell wie sie redet, ist sie auch in das andere Outfit gesprungen: „Ihr könnt wieder gucken.“
Ich pfeife bewundernd, sie sieht zum Anbeißen aus.
„Sexy“, stimmt Miloš zu.
Sie grinst geschmeichelt. „Und, was ist – kommt ihr mit?“
„Wir quatschen lieber.“
Kopfschüttelnd nennt sie ihn „Phlegmatiker“ (von mir hat sie offenbar nichts anderes erwartet) und verlässt uns.
Kaum ist die Tür zu, will er wissen: „Heißt Phlegmatiker bei euch das selbe wie bei uns?“
„Ich weiß nicht, ich kann kein serbisch.“
„Wie wär’s, wenn du es lernst?“, bietet er lächelnd an.

Nach ein paar ziellosen Gedankengängen mache ich „Du, Miloš.“
„Ja.“
„Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, wenn ich das so frage … aber das ist wichtig für mich. Du hattest auf Dersummeroog gesagt, dass ich dein Freund bin … du kennst so viele Leute und hältst mit allen Kontakt … dass du jetzt mit Helena zusammen bist, ist ja auch so ein komisches Ding … also, was ich fragen will, hast du so einen richtigen besten Freund?“
„Das klingt wirklich komisch. Wie meinst du das, einen richtigen besten Freund?“

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