Unsere Künstlergarderobe klingt nach mehr als sie ist. Der Raum ist ein Container mit allerhand Möbeln und einer Lampe drin, außerdem enthält er eine Frisierkommode und ein kleines Waschbecken. Am einen Ende befindet sich die Tür, gegenüber ein Fenster, von dem aus man das geschäftige Treiben hinter den Bühnenaufbauten betrachten kann, wenn man will.
Die Mädels sind unterwegs und wir lassen uns auf ein Sofa fallen. Ich angele meine Wasserflasche und trinke sie leer.
„Also, bist du sauer?“, wiederholt Miloš.
„Nein. Ich hab bloß keinen Bock drauf, schon wieder meine Wohnung mit einem Liebespaar zu teilen, das nur schwachsinnige Antworten gibt, wenn überhaupt. Bei Cokko und Simone hat mir das schon gereicht. Die Wohnung ist nicht groß genug dafür.“ Ich halte das lieber mal alles ganz neutral, denn ich weiß selbst nicht genau, ob ich sauer bin. Besonders begeistert bin ich jedenfalls nicht – auch wenn es mich für Miloš freut, dass er eine Freundin gefunden hat. Aber hätte er nicht eine andere finden können?
„Über die Wohnung wollte ich sowieso noch mit dir reden.“
„Aha?“
Aus einem Leinenbeutel(134), der an einer Stuhllehne hängt, holt er zwei Bierdosen hervor und öffnet sie. Mir gibt er die eine. „Ja. Was denkst du davon, wenn wir beide zusammen in eine größere ziehen würden?“
„Damit Helena dann immer da sein kann? Steckt sie etwa dahinter? Na klar, ich hätte es wissen müssen, dass sie sofort wieder anfängt, in meinem Leben rumzurühren!“
„Langsam“, macht er beschwichtigend. „Erstens sind wir seit einem Tag zusammen, da denkt man sicher noch nicht ans gemeinsame Wohnen. Ich jedenfalls nicht. Zweitens steckt sie also nicht dahinter, und drittens, glaubst du ehrlich, dass ich mir von einer Frau so reinreden lasse, auch wenn sie ein heißer Feger ist?“
„Nee. Glaub ich nicht“, murmele ich. Du bestimmt nicht, Mister Pünktlich, dein Vorname ist „Unbeugsam“.
„Na siehst du. Und was meinst du damit, dass sie wieder in deinem Leben herumrührt?“
Ich stoße die Luft aus. „Je länger die Beziehung vorbei ist, desto froher bin ich, dass es so ist. Nach außen sah immer alles toll aus, aber bei uns ist so ziemlich alles schief gelaufen, was schief laufen kann. Und irgendwie … also glaub nicht, dass ich deine Liebste schlecht reden will.“ Ich versuche, die Empfindungen in verständlichere Worte zu fassen: „Man hat so seine Ideale und Ansichten und Vorstellungen von einer Partnerschaft. Wann man das erste Mal Sex hat, wann man zusammen zieht, wann man sich verlobt, heiratet, wann das erste Kind kommt und wenn’s da ist, wie man es erzieht. Das hat alles nicht geklappt.“
„Wie habt ihr es sechs Jahre miteinander ausgehalten, wenn das alles nicht geklappt hat?“, wundert er sich.
„Nein, das meine ich nicht. Es hat nicht geklappt, einen Konsens zu finden. Meistens haben wir gemacht, was Helena wollte. Sie hat den Zeitpunkt bestimmt, auch wenn ich eigentlich anderer Meinung war. Wahrscheinlich bin ich leicht manipulierbar, sonst wäre das ja nicht so einfach für sie gewesen, mich immer rumzukriegen.“
„Du und leicht manipulierbar?“ Er schnaubt belustigt. „Ich kenne keinen, der stärker und treuer an seinen Prinzipien festhält! Was glaubst du, warum ich dich nach allen Sachen frage, wie Jesus darüber denkt?“
Stimmt, geht mir auf, du hast Recht … aber wieso ist in der Beziehung alles ganz anders gelaufen?
Weil ich nichts sage, spricht er nach ein paar Atemzügen weiter: „Kann das sein, dass es mit euch beiden so war: erst hat sie deine Ansichten und Ideale über den Haufen geworfen und eine Grenze nach der anderen übertreten, und dann bist du ihr langweilig geworden?“
Kann es sein, dass es so war? Den Satz muss ich erst mal verdauen.
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