29. November 2015

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Ihr Gesicht ist wie alles an ihr rundlich. Und total hübsch. Eingerahmt wird es von einer Fülle blonder Kringellocken, die sie oft zum Zopf gebunden trägt. Heute hat sie sich mehr Mühe gegeben und sie geglättet. Kurz kommt mir der Gedanke, ob das vielleicht auch Dekoration für den hauptamtlichen Gast ist. Aber ich glaube nicht, dass sie das alles nur angezettelt hat, um auf sich aufmerksam zu machen. Dafür sind unsere Gespräche zu weit gefächert.
„Warum guckst du mich so an?“, will sie wissen und gibt mir die eine Eisportion.
„Danke. Wir könnten auch draußen sitzen, was meinst du?“, lenke ich ab.


vierundachtzigstes Kapitel

Bis halb zwei haben wir uns noch zu allerhand Dingen zwischen Himmel und Erde ausgetauscht, dann bin ich leicht beduselt nach Hause gefahren. Dort habe ich meinen Mitbewohner nur deswegen nicht zu seinen Hintergedanken befragt, weil er noch nicht da war. Und heute erscheint es mir nicht mehr wichtig genug. Nach dem späten Frühstück packen wir unseren Krempel zusammen und fahren zum Proberaum. Vorm Gebäude treffen wir Lisanne; gemeinsam gehen wir rein.
Steven sitzt mit drei Angestellten im Pausenraum der Bäcker.
„Da kommen ja unsere Stars“, sagt einer der Männer.
„Na ja, so weit sind wir noch nicht“, protestiere ich.
„Aber schon weiter als jeder von uns. Wenn irgendwer das Konzert aufnimmt, wollen wir auf jeden Fall eine Kopie haben.“
„Ich hör mich um“, verspricht Miloš.
In diesem Moment geht die Tür auf und Merle betritt den Raum. „Morgen zusammen“, schmettert sie gut gelaunt.

Es dauert eine halbe Stunde, bis wir alle Instrumente und sämtliches Zubehör im LKW mit der Aufschrift „Stevens broodjes – altijd lekker!“ verladen haben und auf dem Marker­waard­dijk Richtung Süden unterwegs sind.
Wie immer, wenn man auf alles vorbereitet ist, passiert nichts davon und so sind wir bereits 50 Minuten später am Festivalgelände angekommen. Dort erwartet uns unser Zuständiger, Rinus Meijer, der ein junger Kerl ist und ein Jahrespraktikum in der Musikredaktion des Senders macht.
Er weist uns zwei Parkplätze an, zeigt uns unsere Garderobe, erklärt uns alles, was wir vor und hinter der Bühne zu wissen haben und beachten sollen. Er stellt uns auch seinem Chef von Delta 3000 vor und ich komme für eine Sekunde ins Schwitzen, als Carlos van Hoogedonk fragt, wie wir denn von der Festivalaktion erfahren haben, da wir ja alle nicht im Sendegebiet wohnen.
„Mein Bruder lebt seit ein paar Monaten in Rotterdam“, sage ich ehrlich, denn ich will keinen anlügen, der uns so eine großartige Chance ermöglicht hat. „Als er von der Verlosung hörte, hat er direkt an die Band gedacht.“
„Und wer ist dieser Glückspilz-Bruder? Euer Fahrer?“
„Nein“, erklärt Miloš, „der hat zwar auch eine von den Freikarten bekommen, aber das ist Steven. Nebenbei der Vermieter unseres Proberaums, der ist nämlich über seiner Bäckerei.“
„Und du bist der Bassist mit den serbischen Liedtexten.“
Er grinst. „Der bin ich. Hört man das so deutlich?“
„Im Vergleich mit den anderen, ja. Ist bei euch noch mehr vereintes Europa drin?“
„Damit können wir nicht dienen“, bedauert Lisanne, „Wir drei sind aus Zuyderkerk. Ein Exot muss reichen.“
Carlos hebt die Schultern, „Da kann man nichts machen. Rinus hat euch alles gezeigt und gesagt und erklärt … habt ihr noch irgendwelche Fragen?“
„Warum, willst du weg?“, frage ich unseren Betreuer.
„Ja, wir haben noch ein paar andere Dinge zu tun. Ihr könnt mich jederzeit anrufen, wenn Unklarheiten auftauchen. Und nachher zum Soundcheck bin ich wieder da.“
„Eins noch“, meldet Miloš an, „nämlich: das Konzert wird ja sicher aufgenommen, oder? An wen wenden wir uns da?“
„Ja, es gibt Audio- und Videoaufnahmen. Ihr kriegt sie hinterher zugeschickt.“

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