29. November 2015

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einundachtzigstes Kapitel

Der Auftritt in Hoorn ist das Thema unter meinen Kolleginnen. Offenbar waren mehr dabei als ich mitbekommen habe. Ihre Begeisterung über meine bis dahin unentdeckten Talente ist zwar schmeichelhaft, aber nicht sehr hilfreich bei meinen Bemühungen, den Kopf frei zu kriegen von den Auftritten. Wenn Miloš seine großen Pläne mit dem Musikbusiness umsetzt, bin ich die längste Zeit mit ihm in einer Band gewesen.
Zum Glück sind die Kinder mit anderen Dingen beschäftigt.
Im Stuhlkreis begrüßen wir die Kleinen, die in den Sommerferien vier geworden sind. Wenn sie schon mutig genug sind, können sie selber ihren Namen sagen und was sie sonst noch für wichtig erachten, ansonsten darf das die Mutter übernehmen, sofern sie mitgekommen ist – oder einer von uns.
Das Team der Driehoeken wird dieses Jahr von Unterrichtshelfer Klaasjan und Praktikantin Shelley verstärkt. Klaasjan ist neu auf der Schule und wir haben ihn schon letzte Woche bei den drei Arbeitstreffen ein bisschen kennen lernen können. Ich weiß nicht recht, was ich von ihm zu halten habe, er wirkt ziemlich kühl. Vielleicht ist das aber auch nur eine Sache meiner Selbst- und Fremdwahrnehmung, denn ich bin mir ja oft nicht sicher, wie ich mit den Menschen meines Umfeldes umzugehen habe.
Shelley ist auf der MBB zur Schule gegangen, wo sie mir aber nicht aufgefallen ist. Sie ist mir sympathisch und arbeitet schon sehr selbstständig.

Jedes neue Kind wird einem der großen zugewiesen, das sich in den kommenden Wochen um den Neuling kümmert, ihm die Räumlichkeiten zeigt und es mit den Regeln vertraut macht. Auf diese Weise haben wir bisher jedes Kind „eingeführt“; jedes hat einen älteren Paten be­kommen. Das stärkt das Verantwortungsbewusstsein der Großen sowie den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe.
Nach dem Frühstück fangen Grietje und ich an, die neuen Kinder zu „sichten“, das heißt, ihre Fähigkeiten und Förderbedürfnisse einzuschätzen. Natürlich haben wir die Kinder bereits beim Erstgespräch gesehen und im Dialog mit den Eltern auch Stärken und Schwächen aufgeschrieben. Aber Eltern haben oft einen anderen Blick darauf, was ein Kind in welchem Alter können sollte und was nicht zu erwarten ist. Außerdem ist so ein Erstgespräch für das Kind eine Art Prüfungssituation, in der es vielleicht angespannt ist oder aufgeregt – oder sich für alles besonders viel Mühe gibt, ansonsten aber mit den Aufgaben eher überfordert ist. In den nächsten zwei Wochen haben wir mehr Zeit, uns mit den Kleinen zu befassen.
Anouk lispelt, Paulien ist sehr verschlossen und Rob spricht kein niederländisch.
Die acht anderen Kinder sind normal, sofern man das von einem Lebewesen sagen kann, das auf Gottes schöner Erde herumläuft und dabei noch so bezaubernd lachen kann wie ein vierjähriges Kind.

Mit einer Ladung selbstgebackener Pizzabrötchen fahre ich am nächsten Morgen zur Schule. Zur Mittagspause erhitze ich sie wieder; das Ganze ist als Bestechungsversuch gedacht. So will ich die Kollegen der unteren Gruppen dazu bringen, nicht länger über Musik, Auftritte, Almere und so weiter reden – zumindest nicht, wenn ich dabei bin.
Ich kenne meine Kolleginnen(127) gut genug, der Versuch gelingt.

Abends ist die vorletzte Bandprobe.
Alle tun recht überzeugend so, als wäre nichts besonderes los. Wir spielen einige Lieder, auch zwei neue aus Miloš’ Kreativzentrum, um sicherer zu werden im Improvisieren.

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