11. November 2015

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„Hoi, Miloš hier. Ich komme heute nicht.“
„Ah … ähm … warum denn nicht?“
„Mein Vater ist wieder da.“
Mehr als „Oh“ fällt mir dazu nicht ein. Ich will gerade den Raum verlassen, um ungestört zu sein, als Steven sagt: „Bring es mir gleich runter“ und treppab verschwindet.
„Seit wann denn? Heute?“, frage ich ins Telefon hinein.
„Ja. Vorhin kam er an. Ein Typ aus Banja Luka hat ihn mit einer LKW-Ladung Jeanshosen bis Rotterdam gebracht und jetzt sitzt er bei uns in der Küche.“
„Und, ähm … was denkst du so dazu? Ist das eher gut oder eher nicht so gut?“
Miloš stößt die Luft aus. „Wenn man das mal vorher wüsste. Keine Ahnung. Erst mal wird hier Wiedersehen gefeiert. Schätze, wir saufen jetzt die ganze Nacht durch. Morgen bin ich wahrscheinlich zu nichts zu gebrauchen.“
„Und übermorgen?“
„Was ist übermorgen?“
„Sonntag. Du wolltest mit in die Kirche kommen“, erinnere ich.
Noch einmal stößt er die Luft aus.
In die Pause hinein sage ich: „Na ja, meld dich“, denn das muss er nicht jetzt entscheiden.

In gewisser Weise hat Eelco Recht, bei Miloš kann einem unheimlich werden. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie er mit seinem Vater umgehen wird, vor allem wenn der wieder anfängt, seinen längst erwachsenen Sohn wie einen kleinen Jungen zu behandeln.
Gerne hätte ich genau jetzt einen zum Reden. Weil leider niemand da ist, bringe ich das Telefon zurück und stehe dann ratlos im Proberaum rum. Schließlich verfüge ich mich hinter die Trommeln und tue, wozu ich geschaffen bin (das hat Merle neulich gesagt).
Irgendwann fange ich an zu beten. Jesus stört sich nie an dem gehobenen Lärmpegel, wenn ich beim Trommeln mit ihm rede. Pass bitte auf, dass er sich keinen Schaden ansäuft … und gib ihm die nötige Weisheit, seinen Vater auf Abstand zu halten … und lass ihn wissen, dass du bei ihm bist, egal wie die Situation aussieht … und wenn der Vater wieder anfängt, ihn herum zu kommandieren … kannst du den beiden dann vielleicht verbieten, übereinander herzufallen?
Natürlich kann ich, aber ob sie drauf hören werden? Sie haben ja einen freien Willen, erinnert er.
Aber kannst du es nicht so lenken, dass sie gar nicht handgreiflich werden? Miloš hat es oft genug gesagt, dass er seinen Vater nicht mehr sehen will … ich hatte gedacht, du kümmerst dich da drum?
Hätte ich die Mutter auf ewig im Ungewissen lassen sollen, ob er noch lebt?
Ach, du weißt doch, was ich meine, nörgele ich.
Klar weiß ich das. Und du weißt, dass ich ihn herzlich lieb habe und auf ihn aufpassen werde, wenn er es zulässt. Aber du weißt auch, dass ich seinen Vater ebenso lieb habe.
Jahaa, mache ich.
Er wechselt das Thema: Wirst du mir ein Lied singen, wenn die Generalprobe in Hoorn gelingt?
Ich weiß noch nicht mal, ob wir überhaupt in der Musikschule auftreten dürfen!
Ja, aber wenn. Singst du mir dann auch ein Lied?
Ich glaub, ich hab viel zu viel Angst, vor so vielen Leuten was anderes zu machen als zu trommeln.
Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja dabei.
Können wir da trotzdem nach der Generalprobe noch mal drüber reden?
Können wir.
Au weia, denke ich auf einmal. Wenn Jesus so sicher ist, dass die Generalprobe in Hoorn klappt (das hat er zwar nicht gesagt, aber ich kenne seine Rhetorik), dann komme ich kaum drum herum, ein Lied vor hunderten Leuten zu singen … Du liebe Zeit!!

Später trifft Lisanne ein, aber wir machen nicht viel Musik, sondern reden über Miloš, seinen Vater, die Möglichkeit in Hoorn und was dafür noch zu tun ist.

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