vierundsiebzigstes Kapitel
Wir haben auf dem Deck gepennt und so wache ich das erste Mal davon auf, dass die Vöglein den neuen Tag begrüßen. Es ist noch dunkel und eher kalt als kühl, sodass ich im Schlafsack liegen bleibe, die Kapuze fester zurre und wieder eindöse. Als ich das nächste Mal aufwache, ist es nicht viel wärmer, aber dafür wesentlich heller geworden. Die Sonne scheint! Das nehme ich zum Anlass, aufzustehen. In Ermangelung einer Dusche springe ich ins Hafenwasser, was denselben belebenden Effekt hat.
Erstaunlicherweise ist Miloš noch nicht unterwegs. Ich wecke ihn und wir begeben uns zu einer Bäckerei in Workum – ich fahre Rad und er läuft als Frühsportersatz neben mir her.
Beim Essen fällt mir die erste große Veränderung an meinem Kumpel auf. Es ist, als wäre hinter seinen Augen ein Licht angegangen. Er guckt friedlich.
So macht Gott es immer, schon seit Anbeginn der Zeiten. Damals, als er die Erde schuf, war sie zuerst wüst und leer. Dann schuf er das Licht, und danach fing er an, Ordnung zu machen. Er trennte das Wasser vom Land, die Helligkeit von der Dunkelheit und so weiter. Ohne vorher zu sortieren hätten die Lebewesen keinen Platz gehabt.
Im Menschen geht er genauso vor. Erst erstrahlt das Licht seiner Liebe, dann wird sortiert, und später kommen Wachstum, geistige Reife und so weiter.
Weil er weiterhin in sich gekehrt ist und nicht nachfragt, ob er ans Ruder darf, segele ich nach Hause. Ich habe ihm angeboten, mit seinen Fragen zu Gott, Jesus und allen Themen drumrum zu mir zu kommen, und er hat sich abwesend bedankt. Irgendwann wird er genug nachgedacht haben und mit seinen Fragen rausrücken, das hat der gestrige Abend ja bewiesen. Hach, wenn ich darüber nachdenke! Ich könnte singen und tanzen! Mein Kumpel Miloš geht jetzt mit Jesus! Und mein Jesusleben, das so viele meiner Freunde nicht beachten oder langweilig finden, es trägt trotzdem Früchte!
Zuhause ist alles wie immer – je mehr von meinen Sachen ich ausräume, desto schlimmer sieht die Wohnung aus. Ich weiche dem Durcheinander aus, indem ich zum Einkaufen fahre, und danach weite ich die Flucht noch ein bisschen länger aus, um Pieter in seiner Werkstatt zu besuchen.
Die Tür ist versperrt und die blassgrünen Lamellenrollos sind herunter gezogen. Nanu, was mag mit ihm los sein? Ich mache mich auf den Weg zu seiner Wohnung.
Die Haustür ist nicht verschlossen, an seiner Tür klopfe ich und Pieter ruft „es ist offen!“ durch die Wohnung.
Im Wohnzimmer sitzen er und Becks und ein mir nicht bekannter Mann.
Pieter stellt uns einander vor; der Mann heißt Harm van Houben und wird vielleicht die Fahrradwerkstatt kaufen. „Hast du zufälligerweise Zeit, mir bei der Inventur und beim Aufräumen zu helfen?“, fragt mein Freund mich.
„Das kommt drauf an, wie lange das dauert und wann du das machen willst.“
„Also, ich denke, dass wir zwei Tage brauchen werden und wann wir anfangen, wollte ich von deinem Zeitplan abhängig machen. Schließlich hast du mit den ganzen Bandproben gerade ein bisschen mehr zu tun als ich.“
„Wie wäre es morgen und übermorgen?“
Die drei gucken sich an und fangen an zu lachen.
„Was gibt’s denn da zu lachen?“, erkundige ich mich.
Becks erklärt: „Pieter hat eben gesagt, dass er dich um Hilfe fragen wird und Harm wollte wissen, mit welchen Zeiträumen er da zu rechnen habe. Und Pieter meinte, du wärst ein Freund schneller Entschlüsse. Was du hiermit eindrucksvoll bewiesen hast!“
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