9. November 2015

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Pieter hat es auch gesehen, und sein Blick lässt nicht viele Möglichkeiten, an wen er gerade denkt. Ich versuche ihn abzulenken, aber dafür ist er zu besoffen. Deshalb schleppe ich ihn zum nächsten Taxistand. Die Fahrerin bringt uns nach Dersum, und nach Zahlung der Strecke kann ich sie überreden, vorm Haus auf mich zu warten. Jetzt will ich erst recht nicht mehr in der Pension bleiben.
Zurück an der Promenade stelle ich fest, dass die meisten Bars schon dicht machen. Mist, bin ich also ganz umsonst wieder hergekommen? Ich lasse mich etwas unentschlossen von der Menge treiben, die mich schließlich in eins der großen Partyzelte bringt. Man könnte eine Dampfsauna darin aufmachen. Mitten auf der Tanzfläche finde ich meine Freunde – umge­ben von hübschen Frauen. Das war klar! Ich schiebe mich zu ihnen durch.
„He, da bist du ja!“, ruft Cokko mir ins Ohr, „Ich dachte, du wärst schon pennen?“
„Ich hab nur den Pieter ins Bett gebracht“, rufe ich zurück.
Die Bässe wummern in meinem Magen, das blitzende Licht tut mir in den Augen weh. Eine der Frauen hakt sich unter und tanzt mit. Weil sie mich aber immer mehr zum Rand zieht, mache ich mich los und bewege mich weiter da, wo mein Bruder und Miloš sind.

Irgendwann, ich weiß nicht, nach wie viel Zeit, legt der DJ nur noch ruhige Musik auf und nach einer weiteren Weile wird die Musik leiser, die Lampen werden heller, der Blitzer hört auf und durch die Lautsprecher ertönt eine Stimme: „Sperrstunde, Leute. Geht raus, feiert draußen weiter, aber wir müssen zu machen. Anordnung der Polizei.“
Dem Geräuschpegel zu urteilen sind alle dagegen, aber ausgelaugt genug, um keine große Revolution mehr vom Zaun zu brechen. Zusammen mit der Menge werde ich nach draußen gespült. Dort zerstreut sich der Großteil der Tanzfreunde.
Meine Uhr behauptet, es sei zwanzig vor fünf. Ich kann das nicht so ganz glauben. Ich habe noch nie eine ganze Nacht durchgetanzt!
Unter einer Laterne steht schon Cokko und Miloš trudelt kurz nach mir ein.
Mein Magen knurrt leise im Dauerlauf, ich bin total unterzuckert. Der Kreislauf sackt in die Kniekehlen. Ich bibbere vor Kälte. Hier hilft nur noch schlafen.

Als wir an der Pension aus dem Taxi steigen, fängt es hinter dem unbewohnten Ende der Insel an heller zu werden.
„Ihr könnt mich für bekloppt halten, ich fahre ans Meer“, verkündet Miloš. „Ich habe noch nie einen Sonnenaufgang am Strand erlebt.“
„Wir halten dich nicht für bekloppt, du bist es“, sagt Cokko. „Ich geh pennen. Kommst du mit?“, fragt er mich, und ich muss nicht lange nachdenken. Mittlerweile friere ich bis in den Blinddarm, den ich nicht mehr habe. Um einschlafen zu können verfüge ich mich erst unter die heiße Dusche. Dann pelle ich mich in meinen Schlafsack und bin weg, bevor ich liege.


dreiundsiebzigstes Kapitel

Die Pension „Kijkdoos“ ist nun endgültig kein Massenlager mehr. Der Schwei­zer und sein Hund haben sich heute früh verabschiedet(109), die deutschen Mädels haben die Fähre um zwölf genommen und wenn wir uns ein bisschen beeilen, können Miloš und ich heute noch in Zuyderkerk eintreffen. Gerade bringen unseren Gepäckhaufen zum Hafen. Pieter und Cokko sind nicht so unter zeitlichem Druck, die späte Fähre legt um sieben ab. Vermutlich werden sie trotzdem vor uns ankommen.

Mein Kumpel ist die ganze Zeit sehr schweigsam. Erst als Dersummeroog nur noch ein Streifen am Horizont ist, sagt er: „Ich habe noch nie so etwas Tolles erlebt.“
„Meinst du die Strandfete?“
Er winkt ab, „Solche Partys gibt es überall auf der Welt. Ich meine den Sonnenaufgang. Der war wunderschön.“

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