9. November 2015

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„Du bist mir nicht mehr böse?“, hofft sie.
„Was blieb mir anders übrig?“, frage ich zurück. „Du weißt ja, ich bin nicht sehr nachtragend. Ich wäre wohl verrückt geworden, wenn ich dir das nicht irgendwann verziehen hätte.“
„Und das mit dem falschen Vince nimmst du mir auch nicht mehr übel?“
„Helena, bitte. Die Trennung war keine gute Zeit, für keinen von uns. Aber jetzt ist ein Jahr vergangen und zumindest mir geht es prima, was man vermutlich sehen kann. Entschuldige dich bitte nicht für alles einzeln, sonst machst du mir ein schrecklich schlechtes Gewissen.“
Welch ein Segen, geht es mir auf einmal durch den Kopf, dass ich das Thema Helena schon seit langem hinter mir habe! Welch ein Segen, dass ich schon knapp zwei Wochen später alles an Gott abgeben konnte und ihn die Schmutzarbeit machen lassen konnte. Die armen Leute, die mit Gott nichts zu tun haben wollen – die sind echt arm dran!
Ich rede von etwas anderem. „Ich würd’ gerne mal gucken, was die Kumpels heute so vorhaben. Wäre dumm, wenn ich den Anschluss verliere. Ich wette, die warten nicht allzu lange auf mich“, unterstelle ich ihnen, obwohl sie mich ganz sicher nicht in der Pension sitzen lassen, schließlich sind sie meine Freunde.
Helena schaut mich schon wieder so bettelnd an und ich rechne damit, dass sie möchte, dass wir noch hier sitzen bleiben. Daher überrascht es mich ziemlich, dass sie fragt: „Kann ich vielleicht mitkommen?“
„Nee, das geht nicht“, lehne ich ab. „Da passt du wirklich nicht rein. Pieter hat seiner Lady auch ‘nen Korb gegeben. Außerdem weiß ich nicht, was die anderen davon halten.“
„Aber wenn du sie fragst und sie sagen, dass es okay ist?“
So kenne ich meine unternehmungslustige Ex gar nicht. Sonst bin eher ich es gewesen, der sich an sie gehängt hat, weil ich nichts mit mir anzufangen wusste.
„Helena“, sage ich ruhig. „Ich werde sie nicht fragen. Wir machen eine Junggesellentour. Keiner schleppt irgendeine Frau an, egal, ob er sie schon Jahrhunderte kennt oder ob sie der heißeste Feger der Insel ist.“
„Und wer ist der Dunkelhaarige mit den Tattoos?“
Warum willst du das wissen, denke ich und verdrehe die Augen. „Du kennst ihn aus der Jesus-Pop-Band.“
„Der Bassist!“, unterbricht sie, „Miloš!“
„Richtig. Vergiss es. Wenn er eine Freundin haben will, sucht er sich bestimmt eine aus, die serbisch kann“, behaupte ich, um jede Hoffnung gleich im Keim zu ersticken.
„Du hast dich wirklich verändert“, stellt sie fest.
„Ja“, sage ich und stehe auf. „Wahrscheinlich bin ich erwachsen geworden. Komm jetzt.“
Endlich gibt sie meinem Willen nach. Kurz darauf sind wir in der Pension angekommen und meine Kumpels scheinen noch da zu sein; zumindest Miloš sitzt lesend im Garten.


einundsiebzigstes Kapitel

Bei unserer Ankunft in Tante Os Wohnzimmer habe ich mich auf dem Matten­lager zwischen Miloš und Cokko eingerichtet. Als ich nächsten Tag aufwache, finde ich mich aber nicht dort wieder, nein, ich liege im Garten. Das finde ich erstaunlich. Ich bin ein natur­verbundener Mensch, doch was kann mich dazu gebracht haben, im Garten zu schlafen?
Auf einmal packt mich ein fürchterlicher Schrecken. Ich war mir offenbar sehr sicher, im Bett zu sein: Meine Klamotten liegen neben mir! Alle!! Ich habe nackt im Garten gepennt!
Ich springe auf, raffe meinen Kram und hechte hinter einen Busch. Dort werfe ich mich förmlich in die Sachen, die ziemlich nach gestern riechen und flüchte dann an den Strand.
Normalerweise müsste ich erst duschen, um richtig wach zu werden, doch das kann ich mir heute getrost sparen.

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