„Wo wollt ihr hin?“, erkundige ich mich.
„Netz suchen.“
Ich schaue den dreien nach, wie sie zwischen den Dünen verschwinden und denke darüber nach, dass uns das früher nicht passiert wäre. Früher waren wir nicht ständig erreichbar, es gab keine Handys. Das Lagerfeuer war der Mittelpunkt der Strandgesellschaft. Die Gemeinschaft war wichtiger. Heutzutage sitzen die Leute zusammen und jeder guckt nur in sein Kästchen, sie reden nicht mehr miteinander.
Hätte ich nicht schon genug Argumente für meine Aversion gegen diesen Mobilfunkkram, würde ich mir dieses aussuchen.
Nach wenigen Minuten kehrt Miloš zurück.
„Netz gefunden?“, erkundige ich mich.
„Ich hatte nicht bemerkt, dass du nicht mitgegangen bist. Entschuldige bitte.“
„Ach“ winke ich ab. „Es ist okay für mich, mal kurz alleine zu bleiben.“
„Nein“, sagt er. „Das ist nicht okay. Du sollst nicht allein bleiben.“
„Ich sitze oft alleine rum, es macht mir nichts aus“, beteuere ich. „Meistens bin ich ja nicht so lustig wie die anderen.“
„Nein“, wiederholt er. „Es macht etwas aus. Und ich will nicht, dass du alleine sitzt.“
„Aber du hättest viel mehr Spaß, wenn du mit Cokko und Pieter gegangen wärst. Ich sitz ja bloß langweilig hier rum und gucke ins Feuer. Ich bin nie cool.“
„Jeremy“, sagt er mit einer ganz ruhigen Stimme. „Darf ich dir etwas sagen?“
Au weia, was kommt jetzt? Er klingt auf einmal so ernst! Weil er nicht weiter redet, lade ich ein: „Sag mir was.“
„Du musst eine Sache lernen. Es ist unwichtig, ob andere Menschen sagen, dass du cool bist oder dass es cool ist, was du tust oder nicht tust. Es ist unwichtig, was andere Menschen von dir denken. Du“, sachte tippt er mir mit dem Zeigefinger auf die Brust, „musst wissen, wer du bist und was du willst.“
„Das ist nicht neu“, wende ich ein.
Er nickt, „Du hast es schon oft gehört. Aber du handelst nicht danach. Du hast immer Angst, was die anderen über dich sagen oder denken.“
Spontan will ich widersprechen, weil es natürlich genau so ist und nie anders war, aber Miloš legt die Hand auf meinen Arm und sagt: „Hab keine Angst. Jedenfalls nicht vor mir. Ich bin dein Freund.“
Dazu fällt mir nichts zu sagen ein.
siebzigstes Kapitel
In Tante Os Küche herrscht ein ziemliches Gedränge. Alle wollen sich zugleich ihr Frühstück auf den Teller laden. Als ich aufgestanden bin, war es noch stiller im Haus. Da habe ich mit Tante O und Ferdinand gegessen, bevor ich schwimmen gegangen bin, deswegen ist es nicht mehr ganz so eilig für mich. Ich sichere mir auf der Terrasse einen schönen Sitzplatz und warte, bis sich der Ansturm gelegt hat.
Jetzt geht die Küchentür auf und zu Cokko und Pieter und Miloš und den drei jungen Frauen aus Deutschland und Herrn Sprüngli ohne seinen Hund (100) schiebt sich – Helena! Sie muss Ieuwkjes Überraschungsgast sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen