9. November 2015

212

Abends kehren wir im Meeuwenpoep ein, das heißt, wir täten, wenn wir könnten. Die Kneipe ist gesteckt voll mit Menschen, die Luft ist schlecht und es ist sehr laut. Was reitet mich bloß jedes Jahr, mir dieses sonst so liebliche Fleckchen zur Hauptsaison anzutun? Habe ich nicht zuhause jeden Tag genug um die Ohren?
Wir verständigen uns mit einem Blick und kehren zurück unter dem lauen Sommerabendhimmel. Es ist noch hell. Wir machen die Fahrräder los und fahren aus dem Ort heraus.
„Zeigst du mir morgen die Insel?“, will Miloš wissen.
„Klar – was willst du denn sehen?“
„Ich war noch nie hier, ich weiß nicht, was es zu sehen gibt. Zeig mir deine Lieblingsplätze. Wahrscheinlich gefällt es mir da auch.“
Das bringt mich auf eine Idee. „Kehr mal um“, weise ich ihn an und wir fahren zu der Tankstelle, die wir gerade passiert hatten.
Im Kassenhäuschen kaufe ich einen Sechser Dosenbier, damit verziehen wir uns auf dem kürzesten Wege nach Seeryp und von da an den Deich. Dort finden wir eine Bank mit Blick auf die kahle Wattenlandschaft.
Die Vögel zwitschern, kreischen, trillern, wie es so ihre Art ist.
In der Ferne tuckert ein Schiffsmotor.
Ansonsten ist nichts los.
Kein Mensch ist zu sehen.
Mein Kumpel lässt einen langen Seufzer ab.


neunundsechzigstes Kapitel

Am nächsten Morgen werde ich vom Pladdern des Regens an den großen Scheiben des Wohnzimmerfensters wach. Die Matratze neben meiner ist leer. Wahrscheinlich ist der Duettpartner des nächtlichen Schnarchkonzerts schon sportlich unterwegs.
In der Küche treffe ich Ferdinand und Tante O, die das Frühstück vorbereiten. Bis jetzt ste­hen nur zwei Services auf dem Tisch, mit meinem Eintreten stellt Ferdinand ein weiteres hin.
„Moin zusammen“, grüße ich.
„Wie hoch liegt das Sägemehl im Wohnzimmer?“, lästert er. „Kommt man noch problemlos durch?“
Tante O stößt ihn mahnend an.
„Wenn du mir eine Schaufel gibst, kann ich dir einen Weg zum Fernseher graben“, steige ich in das Geplänkel ein.
„Kaffee oder Tee?“, fragt sie mich. „Und was willst du essen?“
„Erst Kaffee bitte, und hinterher Tee, und essen tu ich das, was da ist.“
„Wie immer also. Was frühstückt Miloš?“
„Wie immer mit Wurst“, fasse ich seine morgendlichen Essgewohnheiten zusammen.
„Was hast du gestern gesagt, wann kommen Cokko und euer anderer Freund?“, will sie dann wissen.
„Pieter“, sage ich ihr den Namen. „Sie wollen die erste Fähre in Harlingen erwischen.“ Ich sehe zur Uhr und verbessere mich: „Wie ich die beiden kenne, haben sie sie erwischt. Das heißt, sie sind so gegen zwölf hier. Warum fragst du?“
„Ieuwkje hat gesagt, sie braucht das Auto selbst. Da müsst ihr euch absprechen, wer es wann benutzen kann.“
„Wir können die beiden auch mit dem Bus abholen. Die haben nicht viel Gepäck dabei, das meiste haben wir schon mitgebracht.“
„Gut.“ Sie setzt sich.

Wir sind gerade fertig mit dem Essen, als die Tür aufgeht und Miloš herein kommt und uns begrüßt.
„Moin“, grinst Ferdinand und holt noch einmal Geschirr und Besteck, „ausgeschlafen?“
Miloš winkt ab. „Schon lange.“
Ich nehme ein Ei aus dem Wärmer und setze es in seinen Eierbecher. „Wann bist du denn aufgestanden?“

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