Bevor ich die gute Idee von zuhause wieder vergesse, weil mir zum Beispiel durch Cokko und Pieter zu viel Ablenkung geboten wird, setze ich sie gleich nach dem Essen um.
Miloš will mitkommen und so fahren wir gemeinsam zum Krankenhaus nach West. Vor einem halben Jahr bin ich dort sehr fürsorglich behandelt worden, ich will den Leuten die Ergebnisse präsentieren.
„Das ist ein Krankenhaus?“, wundert er sich, als wir vor dem Gebäude an Westerdorps Stadtrand anhalten. „Es ist winzig!“
Der wenig hübsche Plattenbau liegt fast in den Dünen. Auf Dersummeroog sind alle Wege kurz, aber der von meinem Unfallort zum Krankenhaus war zum Glück besonders kurz. Der Krankenwagen hatte nur wenige hundert Meter zu fahren. Allerdings habe ich ja von diesen Dingen nichts mitbekommen.
„Früher war es ein Hotel. Als es pleite ging, ist das Haus von einer Kurklinik übernommen worden. Und dann dachten sie, warum sollen wir für jedes Wehwehchen aufs Festland reisen? Kleinere Operationen können wir auch hier durchführen. Also haben sie ein paar Betten geholt und was man so braucht und ein eigenes Krankenhaus aufgemacht. Na ja, eigentlich ist es eine Zweigstelle vom Krankenhaus in Leeuwarden.“
Wir betreten das Gebäude durch den Haupteingang. An einem Schreibtisch vor zwei Büroschränken sitzt eine ältere Frau.
„Hallo Jungs! Kann ich euch weiterhelfen?“, fragt sie.
„Hallo“, grüße ich belustigt zurück. Streng genommen sind wir keine Jungs mehr. „Wo find ich Doktor van der Sar?“
„Am UMC in Utrecht.“
„Oh.“ Das trifft mich unvorbereitet. „Seit wann ist er denn da?“
„Im März wurde da eine Stelle als stellvertretender Chefarzt frei, also hat er sich versetzen lassen. Er hat gesagt, er hat hier gerne gearbeitet, aber es wäre ihm nachts zu still gewesen. Manchen Leuten kann man es nicht recht machen“, lacht sie.
„Können Sie ihm was ausrichten von mir?“
„Na sicher. Warte kurz.“ Sie kramt in ihrer Handtasche und nimmt ihr Smartphone heraus. Nach etlichem Wischen auf der Scheibe hält sie es mir hin und sagt: „Sprich es selbst ein. Ich schicke ihm die Datei. Sag vorher deinen Namen.“
„Also hier ist Jeremy van Hoorn“, sage ich und werde von Miloš unterbrochen: „Sorry. Fang noch mal an. Jetzt.“ Damit tippt er auf die Scheibe.
„Hier ist Jeremy van Hoorn aus Zuyderkerk am IJsselmeer. Rund um den letzten Jahreswechsel war ich auf Dersummeroog und hatte einen ziemlich schlimmen Unfall. Ellbogenbruch, allerhand Prellungen, Schürfwunden und so weiter. Ja, und also, lieber Doc, ich wollte Ihnen das eigentlich so richtig zeigen, dass alles wieder prima funktioniert. Genau gesagt ist der Ellbogen so gut geworden wie vor dem ersten Bruch. Leider sind Sie jetzt in Utrecht und können es nicht sehen. Jedenfalls wollte ich noch mal Danke sagen für die gute Behandlung.“
Miloš tippt wieder auf die Scheibe und gibt das Gerät der Frau zurück. „Hast du noch mehr auszurichten?“, fragt er lächelnd.
Ich schüttele den Kopf. Ich will lieber nicht wissen, ob die Krankenschwestern auch ausgewandert sind und alles anders geworden ist, wo ich es doch so gut in Erinnerung habe. Wir verabschieden uns von der Empfangsdame und verlassen das kleine Krankenhaus.
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