Wir laden die ganzen mitgeführten Lebensmittel sowie viele Flaschen mit erheiterndem Inhalt und allerhand Krempel, den die Kumpels nicht auf die Fähre schleppen wollten, in das Gefährt, und als fast das ganze Fahrzeug gefüllt ist mit Kisten, Dosen, Säcken und unserem Zeug, fällt Ieuwkje ein: „Mist, ihr wolltet auch mitfahren … wir müssen alles umräumen.“
„Nein, müssen wir nicht. Miloš fährt mit dir, ich komme mit dem Fahrrad hinterher. Zufälligerweise habe ich es mitgenommen.“
„Zufälligerweise.“
„Ja, es wollte nicht so alleine zuhause bleiben.“
Sie denkt sich vermutlich ihren Teil und schafft Platz auf dem Beifahrersitz. Ich nutze die Zeit, um mich schon abzusetzen. Im letzten Jahr ist es zu einem meiner Insel-Rituale geworden, zuallererst schwimmen zu gehen.
Nicht, dass ich zuhause kein Wasser vor der Tür hätte (wobei die offene See schon etwas anderes ist als das IJsselmeer) – aber irgendwie fühle ich mich erst so richtig „angekommen“, wenn ich die Brandung getestet habe. Vielleicht hat es auch etwas mit dem Bootlag zu tun.
Pünktlich zum Essen finde ich mich allerdings in Tante Os Küche ein und werde herzlich begrüßt – außer von meinem Kumpel, der recht missgestimmt guckt.
„Hättest du mir nicht sagen können, dass sie einen Freund hat?“, mosert er mich kaum hörbar an, als mich ich neben ihm am gedeckten Tisch niederlasse.
„Wenn du mir vorher gesagt hättest, dass du gar nicht auf dunkelhaarige Frauen stehst, sondern doch viel lieber auf blonde, dann hätte ich dir das ganz sicher gesagt“, kontere ich ebenso leise.
„Ach, lass mich mit Djamila in Ruhe“, brummt er.
Ich horche auf, „Wie kommst du jetzt auf Djamila?“ Ist also doch was dran an den Spekulationen, die in der MBB kursieren?
„Vergiss es“, blockt er ab.
Das tue ich ganz sicher nicht, aber statt weiter auf das Thema einzugehen, erkundige ich mich bei Tante O, wann die anderen Gäste des Hauses zu erwarten sind.
„Das Doppelzimmer hatten zwei junge Frauen aus Deutschland gebucht, sie haben noch eine Freundin mitgebracht, für die wir die Liege beigestellt haben. Im Einzelzimmer nach vorne raus wohnt schon die ganze Woche Herr Sprüngli, ein Schweizer. Er hat einen blinden Hund, also schön vorsichtig mit ihm sein.“
„Also ist er blind?“, unterbreche ich.
„Das habe ich doch gerade gesagt?“
„Warum sagst du dann, ich soll vorsichtig mit ihm sein? Ich meine, wenn er als Blinder durch halb Europa reist, um an der See Urlaub zu machen, glaubst du, ich mach Scherze mit ihm? Für wie respektlos hältst du mich neuerdings?“
Ferdinand fängt an zu gackern. „Ihr müsstet euch mal zuhören beim Missverständnisse reden! Er hat keinen Blindenhund, sondern einen Hund, der nichts sieht! Hahaha, du bist wirklich witzig!“
„Danke für dieses hübsche Kompliment“, versuche ich mitzulachen.
„Hat er ein Blind-Date auf der Insel?“, fragt Miloš trocken.
Ferdinand starrt ihn einen kurzen Moment an, dann grinst er über sein ganzes faltiges Gesicht. „Ich glaube, wir beide werden uns prächtig verstehen“, gluckst er, „Blind!“ Er streckt ihm die Hand hin: „Ich bin Ferdinand.“
„Miloš“, stellt er sich vor. „Wie ist der Mann auf die Insel gekommen?“
Ferdinand platzt fast vor Lachen, „Als blinder Passagier!“
Bevor die Wortspiele immer weiter gehen, schaltet Tante O sich wieder ein. „Ich wollte sagen, erschrick ihn nicht. Den Hund. Bellen kann er nämlich noch ganz gut.“
„Hast du es schon ausprobiert?“
„Nein, ich.“ Ferdinand wischt sich die Lachtränen ab. „Und ich weiß nicht, wer sich mehr erschreckt hat. Um die Auskunft nach den anderen Gästen zu beenden: Ieuwkje bekommt noch Besuch von einer Freundin, aber die kommt erst am Freitagabend und schläft dann im kleinen Zimmer hinten raus.“
Er sagt das so, als solle ich nachfragen, wer die Freundin ist. Das brauche ich aber gar nicht, denn ich werde noch früh genug merken, wer sie ist. Wenn auf einmal fast zehn Leute mehr in einem Haus wohnen als sonst, ist kein Platz mehr für Geheimnisse.
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