9. November 2015

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„Die Chemie stimmt in dieser Runde“, füge ich hinzu und zeige mit dem Finger einen Kringel um unser Kaffeegeschirr. „Mit Simone zusammen wird das Konzept nicht aufgehen.“
„Ja, aber sie hat das begriffen und die Band verlassen. Das ist ja nicht ganz neu, es hat sich schon vor Wochen abgezeichnet. Unter anderem hier auf diesem Balkon.“
„Prinzip von jugoslawische Warenumverteilung?“, tippe ich ins Blaue.
„Zum Beispiel“, nickt sie. „Wie gesagt, ich finde es wichtig, dass du dich für das Theater entschuldigst, aber bitte sie nicht, zurück zu kommen.“
Zugleich will Merle von Miloš wissen: „Was gabs mit dem Prinzip von jugoslawische Warenumverteilung auf diesem Balkon? Das hat doch bestimmt mit dir zu tun?“
„Ja. Ich erzähle es später“, verspricht er.
„Das wird sie sowieso nicht wollen. Immerhin ist sie auch nicht mehr mit Cokko zusammen, bis zu ihrem Abgang war es nur eine Frage der Zeit.“
„Dein Bruder ist wieder zu haben?“, röhrt Merle. „Gut zu wissen!“
„Ich dachte, das mit uns beiden wird was?“, geht Miloš dazwischen.
Die beiden lassen keine Gelegenheit aus, sich damit gegenseitig aufzuziehen. Natürlich ist nichts dran – wäre was dran, wären sie ja längst ein Paar! Manchmal nervt es.
„Zum Equipment muss ich noch was sagen. Im Proberaum reicht dein Verstärkerchen aus, aber auf egal welcher Bühne wirst du damit untergehen. Aber wie können wir uns aufrüsten, ohne dass es allzu teuer wird? Neben dem Verstärker hätte ich nämlich gerne noch ein Aufnahmegerät, damit wir neue Lieder einspielen und dann alleine üben können, ohne dass die restliche Band dabei sein muss und wir brauchen noch mindestens ein Mikro, um das Akkordeon abnehmen zu können und so allerhand Zeug. Wer kennt einen, der einen kennt, der im Musikladen arbeitet und uns die Sachen billig beschaffen kann?“
Merle grinst. „Ich kenne Leute, die das ganze Zeug und noch viel mehr zuhause rumstehen haben und es uns leihen, wenn ich lieb frage. Kostenlos!“
„Dann frag sie bitte lieb“, trage ich ihr auf.
Miloš will von ihr wissen: „Nimmst du mich mit, wenn ich dich lieb frage?“
„Frag mich lieb, dann überleg ich es mir“, hält sie sich alle Optionen offen.
Ich hole einen Schreibblock und einen Kalender und zeichne eine Tabelle auf. Unsere Namen schreibe ich in die Zeilen und fülle die Spalten mit den Dienstagen und Sonntagen bis zum Festival. Es sind zwölf. Die dreizehnte Spalte wird dick umrahmt und steht für den Samstag, an dem der Auftritt ist.
„Füllt mal aus, wann ihr könnt. Wir müssen ab jetzt wie verrückt proben. Spielfreude hin oder her, wir sollten wenigstens die Lieder auswendig können, die wir bis jetzt haben. Ich will nicht mit Notenständern auf die Bühne.“
„Aha“, macht Merle, „Das geht also hauptsächlich an mich. Und wie ich die Sachlage so einschätze, hättest du gerne auch noch drei bis vier neue Lieder ins Sortiment aufgenommen. Reime, Takt und Versmaß sind unwichtig, wie wir gerade festgestellt haben. Das sollte ja zu schaffen sein.“
„Aber willst du wirklich an jedem Sonntag und jedem Dienstag bis dahin proben? Glaubst du nicht, dass wir dann irre werden und uns hinterher nicht mehr riechen können?“, hat Lisanne berechtigte Zweifel an der Durchführbarkeit meines Vorhabens.
„Ich habe nicht gesagt, dass wir uns an jedem Tag aus der Liste treffen müssen. Das klappt schon deswegen nicht, weil ich am ersten Sonntag im August nicht in der Stadt bin. Du übrigens auch nicht“, wende ich mich an Miloš, „da ist nämlich die Strandfete.“
„Ich denke, die ist am Samstagabend?“
„Ja und?“
„Dann sind wir doch Sonntagabend längst wieder hier?“
„Kann sein, dass wir wieder hier sind, aber weißt du jetzt schon, wie viel du bei der Strandfete säufst und ob du dann Bock auf Krach hast?“
„Wie viel willst du denn saufen, dass du dermaßen lange brauchst, um den Brummschädel loszuwerden?“, lästert er. „Das wäre mir ja mal etwas ganz Neues.“

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