„Ich habe die Wahrheit gesagt, nämlich dass du ein bekloppter Serbe bist, aber du hast Glück, ich mag bekloppte Serben.“
„Oh, es ist ein Kompliment!“ Freundlicherweise lässt er mich endlich los. „Du bist so rot im Gesicht, was ist passiert?“
„Ich bin heimlicher Kommunist!“
Von Miloš kommt kein Kontra und prompt lache ich ihn aus: „Haha, dazu fällt dir nichts ein, was?“
„Womit hab ich euch zwei Chaoten bloß verdient?“, fragt Lisanne mehr sich selber und liest Papier und Stifte auf.
Miloš sagt: „Alles Gnade, würde Jeremy sagen.“
Sage ich wirklich solche Sachen? „Sollen wir jetzt noch Musik machen?“, wünsche ich stattdessen zu erfahren und nehme das Schreibzeug an mich.
„Ach, eigentlich habe ich keine Lust“, gesteht Merle, „Erst recht, seit du das mit der Torte gesagt hast.“
In diesem Moment explodiert etwas direkt neben mir: Simone.
„Seid ihr jetzt alle total durchgedreht? Erst geht ihr zwei Knalltüten euch fast an die Gurgel, und dann ist alles gar nicht echt?! Bescheißt ihr mich womöglich schon länger? Ist vielleicht alles gar nicht echt und Cokko hat gar keinen Auftritt gewonnen? Weißte was“, wendet sie sich an mich, „Ich hab gleich gedacht, dass du nicht ganz sauber tickst, und der Miloš auch nicht. Genau deshalb wollte ich die Band verlassen, und stellt euch mal vor, das tu ich jetzt auch. Viel Spaß noch!“ Sie rauscht hinaus und knallt die Tür zu. Weil es ja eine Stahltür ist, haben alle im Gebäude was davon.
Dann murmelt Merle: „Das hört sich nicht so heiter an. Ich glaub, Jeremy, du hast jetzt ein Gitarrenproblem.“
„Zumindest ein Gitarristenproblem“, steht der Bassist wie üblich mit dem Senfeimer parat. „Simone wollte ja zuerst noch eine zweite Gitarre, aber jetzt könnten wir froh sein, wenn wir nur eine hätten.“
Ich zucke die Schultern und kratze mich am Kopf. So hatte ich mir den Ausgang des Theaters nicht vorgestellt. Dann räuspere ich mich und mache „Hm.“
Lisanne witzelt: „Das mag ich vor allem an dir, wenn du so einen energischen und tatkräftigen Eindruck vermittelst.“
„Sehr komisch.“ Ich gehe zum Fenster. Simone steigt gerade ins Auto und fährt vom Hof der Bäckerei.
Als wir vier Torte und Eis essend auf dem Balkon sitzen, fasst Merle ihre letzten paar Gedanken zusammen: „Eigentlich passt sie nicht besonders gut zu uns.“
Stimmt. Merle ist bereits nach wenigen Wochen besser integriert als das Gründungsmitglied Simone nach der ganzen Zeit, die es unsere Band nun schon gibt. Zu Anfang des gemeinsamen Schaffens war ich ja nicht besonders von ihr überzeugt, doch das ist vorbei. Ich kann mir mittlerweile keine bessere Ergänzung für meine Band vorstellen als unsere Brüll-Amsel.
„Habe ich auch gedacht“, nickt Miloš, „wir machen vielleicht gute Musik, aber ein gutes Team werden wir nicht. Wir sind alle gleich alt, und sie ist unter zwanzig, das ist zu jung–“
„Gleich alt? Diese alte Tante ist sieben Jahre älter als Jeremy und ich!“, lachend zeigt Lisanne auf Merle.
„Ja, Scheiße! Auf einmal bin ich das Nesthäkchen der Band!“, fällt mir auf.
„Nesthaken“, verbessert Lisanne. „An dir ist nichts -chen.“
„Warum, wie viel jünger als du ist er denn?“, will Merle von ihr wissen.
„Sechs Monate. Er hat ja erst im Oktober Geburtstag.“
„Außerdem ist es lästig, dass sie in Hoorn wohnt und so selten spontan herüber kommen kann oder will“, bringt Miloš seinen Satz zu Ende. „Deswegen ist es vielleicht besser, wenn du neuen Gitarrist suchst, statt zu Simone zu gehen.“
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