30. August 2015

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Am nächsten Tag halte ich mich den ganzen Vormittag in der Schule auf, weil noch allerhand Papierkram zu erledigen ist. Als ich heimkomme, blinkt mir mein Telefon entgegen. Cokko bittet um Rückruf.
Vorher bereite ich mir erst etwas Essbares zu. „Hoi“, melde ich mich dann, „Du wolltest angerufen werden.“
„Brüderchen, setz dich hin oder halt dich an irgendwas fest.“
„Ich hab ein Käsebrot in der Hand, reicht das?“
„Weiß ich nicht. Entweder habe ich eine Riesendummheit gemacht oder dir zur großen Karriere verholfen.“
„Geht es eventuell etwas genauer?“, bitte ich.
Cokko atmet durch. „Eben war im Radio ein Gewinnspiel und es ging drum, dass eine Band, die noch keinen Plattenvertrag hat, einen Auftritt bei einem Festival gewinnen kann. Anko meinte, man kommt da sowieso nie durch, weil immer hunderttausend Leute anrufen. Ich wollte ihm bloß beweisen, dass man doch durch kommt. Ja, und jetzt hab ich gewonnen.“
„Das ist ja cool“, stelle ich trocken fest. „Aber warum telefonierst du noch mit mir, anstatt eine Band zu gründen, die da auftreten wird?“
„Sag mal, kapierst du das denn nicht?“, regt er sich engagiert auf, „Das ist deine Chance, mit den Donnerdrummels auf die Bühne zu kommen!“
Ich pruste laut heraus. „Denk dir mal, das war mir klar!“
„Puh … findest du es also gut?“
„Na ja, es kommt etwas überraschend … aber Miloš will schon seit der ersten Probe auf die Bühne und Merle hat auch schon gefragt, wann der nächste Auftritt sein wird … also von denen aus … wann ist das denn überhaupt? Wie heißt das Festival? Und wo findet es statt?“
Ich höre, dass er am Computer sitzt, die Tastatur klackert. „Ihr werdet beim Almere open air die ganz große Musikerkarriere starten.“
„Almere open air? Davon hab ich ja noch nie gehört“, werfe ich ein.
„Ich glaub, das ist nicht schlimm, hier kennt das auch keiner. Scheint ganz neu zu sein. Immerhin kennt Anko die meisten Bands vom Line-up, ich kann da nicht mitreden. Jedenfalls findet es am letzten Augustwochenende statt … ihr seid Samstagnachmittag dran als Einheizer für die Vorgruppe von den Hauptbands. Das sind … warte, wo hab ich denn das notiert … die Vorband heißt Voetbal is ons leven, die erste Hauptband ist Alan Poutsma Project und die zweite Star Club.“
„Die kenn ich“, unterbreche ich seine Ausführungen.
„Aha, und was für Musik machen die so?“
„Rock’n’Roll, aber mehr so für ältere Register. Die sind selber auch schon um die 60.“
„Das wird dann wohl ein Festival für die ganze Familie. Ich hab den Leuten von Delta 3000 gesagt, dass ich Jeremy van Hoorn heißen würde und es meine Band wäre, deswegen haben sie natürlich auch deine Adresse gekriegt. In den nächsten Tagen wird dich ein Carlos van Hoogedonk anrufen, das ist der Musikredakteur, und alles Wichtige losschicken. Ich hab das Telefonat aufgezeichnet, das Audio und die Links zum Festival und was du so brauchst hab ich dir schon gemailt, vielleicht gehst du heute Abend mal zu Pieter und guckst dir alles an.“
„Warum hast du das Telefonat aufgenommen?“
„Denk doch mal nach … wenn ich am Telefon behaupte, dass ich du wäre und hinterher redet der van Hoogedonk mit dir und du weißt von nichts? Das wär doch blöd.“
Manchmal ist mein Bruder mir unheimlich, weil er einfach an alles denkt. Zugleich. Ich würde vor Nervosität kein Wort rausbekommen und hinterher nicht mehr wissen, was ich gesagt hätte (ziemlich sicher wäre alles Unsinn und Gestammel gewesen).


sechsundsechzigstes Kapitel

Die nächste Stunde verbringe ich damit, die Band im Proberaum zu versammeln und mich zu freuen und zugleich Bammel zu bekommen. Ein richtiger Auftritt vor richtigem Publikum, das Geld bezahlt hat dafür, dass es was zu hören kriegt! Kein kostenloser Auftritt als Begleitung zu einer Zeltmission oder so etwas!

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