30. August 2015

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„Versuch zwei: Atomphysiker.“ Schlau genug ist er dafür.
„Wie kommst du nur darauf? Falsch.“
„Versuch drei … wenn das auch falsch ist, sagst du es mir, ja?“
„Mal sehen“, hält er sich alle Möglichkeiten offen.
„Also, Versuch drei.“ Ich halte inne. Auf einmal kommt es mir seltsam vor, dass er so grinst. Der führt doch was im Schild! „Arzt?“, wage ich mich vor, obwohl ich weiß, dass es das nicht ist.
„Nein“, grinst er. „Das ist alles falsch. Denk doch mal nach, was mache ich jetzt?“
Eine verrückte Idee kommt mir in den Kopf. „Wolltest du etwa Lehrer werden?“
„Na klar“, lacht er, „Was denn sonst?“
Na ja, denke ich, so einfach war das nun wirklich nicht. Dann fällt mir aber auf, dass es sehr wohl so einfach gewesen ist, bloß habe ich die Augen nicht aufgemacht. Er hat pädagogisches Geschick, Führungsqualität, Geduld, er mag Kinder – was braucht ein Lehrer noch? „Wenn du Unterrichtshelfer wirst, kannst du an der Pabo studieren“, empfehle ich, „und hinterher wirst du mein Kollege an der MBB.“
„Das hättest du gerne“, sagt er.
„Ja, das hätte ich in der Tat gerne“, sage ich.


fünfundsechzigstes Kapitel

Miloš ist zur ersten Fortbildung in der Pabo nicht mit dabei, und das ist sein Glück. Zwar ist sie natürlich viel interessanter, aber weil ich zwei ehemalige Studienkolleginnen treffe und wir uns verquatschen, komme ich erst spät Abends zurück. Das wäre nicht besonders unterhaltsam für ihn geworden.
Ich bin noch nicht lange wieder zuhause, als es an der Tür klingelt. Weil ich die eben ins Schloss gezogen habe, schließlich ist um diese Uhrzeit niemand mehr wach im Haus, galoppiere ich so leise und so schnell es geht hinunter in den Hausflur, um nach des späten Besuchers Begehr zu fragen.
Es ist Pieter, und sein Begehr ist, eingelassen zu werden. „Bist du allein zuhause?“, fragt er, während wir rauf gehen.
„Wer sollte außer mir noch da sein?“, frage ich zurück. Seit Cokko studiert, bin ich abends öfters allein.
„Was weiß ich, wer bei dir rumhängen könnte“, sagt mein Kumpel, „Miloš zum Beispiel. Der ist ja ziemlich häufig hier.“
„Na ja gut, jedenfalls ist keiner da“, löse ich das Ratespiel auf und wünsche stattdessen zu erfahren: „Worum geht’s denn?“
Er macht es spannend und wartet, bis wir uns in der Küche niedergelassen haben. Wenn es nun mal länger dauern soll, biete ich ihm ein Bier an; weil er nickt, nehme ich noch ein zweites für mich aus dem Kühlschrank und schaue ihn dann erwartungsvoll an.
„Stell dir vor – ich hab einen Job.“
Wenn Pieter einen Job hat, heißt das nicht, dass er Tussis im Fitnessstudio bespaßt oder Fahrräder repariert. Ein Job befasst sich mit nur einer Tätigkeit, nämlich Mechatronik.
Ich kann das gar nicht richtig erfassen. So lange hat er danach gesucht, und jetzt teilt er es mir einfach so mit, ohne Jubelfanfaren und Konfettikanone? Dann kommt mir ein schrecklicher Gedanke. Er hat sich ja nicht nur im Umkreis von 50 Kilometern beworben, eher im Gegenteil. Gleich wird er sagen, dass dieser Traumjob alptraumhaft weit weg ist. Womöglich ist er nur per Flugzeug auf einigermaßen schnellem Wege zu erreichen. Neuseeland zum Beispiel.
„Wo?“, wispere ich, weil meine Stimme auf einmal weg ist.
„In IJmuiden!“, schreit er fast.
„Wie krass!“
„Und das, wo ich mich überall in Europa beworben habe!! Und denk dir, ich soll schon am elften August da anfangen.“
„Voll cool!“

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