30. August 2015

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„Und da wir wohl alle zusammen nicht so gut kochen können wie Jeremy, kann man sich vorstellen, wie begeistert wir etwas gegen den Namen sagen werden“, ist Lisanne recht zufrieden mit der Entscheidung.
Aha. So sieht es also aus, wenn meine Band in wichtigen Fragen einstimmig beschließt: die Bandmitglieder drängen mich, bis ich ein Machtwort ausspreche. Heißt das, dass ich sie nach Belieben regieren kann, solange ich ihnen nur das Gefühl gebe, sie könnten mitentscheiden oder mich in eine Richtung bewegen?
Mitten in meine Gedanken brummt Miloš irgendwas serbisches.
„Was hast du gesagt?“, will ich wissen.
Er wiederholt es; das Wort demokratija kommt drin vor.
„Zweifelst du mein Demokratieverständnis an?“, rate ich ins Blaue, und lege noch nach: „Passt dir der Name nicht?“
Er hebt eine Augenbraue und winkt ab.
Merle grinst über ihr ganzes rundes Gesicht. „Ihr zwei seid schon besondere Schätzchen. Ich glaube, es wird ein großer Spaß, mit euch in einer Band zu sein.“


dreiundsechzigstes Kapitel

Neben den bereits erwähnten Unterrichtsmaterialien habe ich eine Menge Holzklötzchen gesägt. In ihrer Grundfläche sind sie rechteckig, aber die vertikalen Kantenlängen der meisten sind unterschiedlich. Wenn man sie richtig stapelt, werden keine kippeligen Türme, sondern romanische Bögen daraus. Das verrate ich meinen Kindern natürlich nicht vorher. Jede Klein­gruppe bekommt die gleiche Anzahl Klötzchen und dann dürfen sie ausprobieren, was man damit anstellen kann.
Finn und Jordi versuchen es erst jeder mit der Hälfte der Klötze, dann nimmt Jordi alle zusammen. Onno fragt mich etwas, dann gucke ich, was Iris, Malika und Amber machen und als ich das nächste Mal zu Finns Platz gucke, bestaunen die beiden ihren Bogen.
„Oh“, sage ich verwundert, „wie habt ihr das denn so schnell hingekriegt?“ Ich mache auch die anderen Kinder aufmerksam und wir versammeln uns um den Zweiertisch. „Erklärt mal, wie ihr das gebaut habt“, bitte ich.
Jordi lacht. „Ich war mal mit meinem Papa in einem Museum, und da hatten die auch so Klötze. Aber die waren aus Schaumstoff und viel größer. Da konnte man auch so Bögen bauen. Ich und der Finn, wir haben die erst mal sortiert und dann ausprobiert, ob das auch ein Bogen wird. Du hattest das ja alles nicht vorher gesagt.“
Jetzt sind die anderen Kinder Feuer und Flamme und wollen das ebenfalls schaffen. Die Kinder, deren Bögen einstürzen, versuchen es auf einem anderen Weg oder bitten die beiden Baumeister um Hilfe.
Gelegentlich gebe ich Tipps oder Anregungen, aber ich könnte den Raum auch verlassen; niemandem würde es auffallen, so vertieft sind die Kinder. Sie versuchen, die Bögen höher und weiter zu bauen, sie stellen fest, was trägt und was nicht und machen Erfahrungen mit den Naturgesetzen rund ums Thema Statik. (91)
Zum Ende des Vormittags, als ich meine Klötzchen einsammeln lasse, fragt Lindsey: „Darf ich die behalten?“
„Nein, das geht nicht. Ich brauche die ja noch für andere Kinder.“
„Oder können wir nächstes Mal im Werken selber so welche bauen?“
„Au ja!!“, rufen andere Kinder begeistert.
„Gut, dann fangen wir übermorgen damit an“, erkläre ich mich einverstanden. Darauf habe ich gehofft! Vielleicht jubeln hier die Ingenieure von morgen? Ich mag diesen visionären Blickwinkel meiner Arbeit.

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