30. August 2015

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Ich gehe zu Miloš hin, nehme ihm den Bass ab und spiele mit, als Merle die Strophe singt: „As you make your way through this old world of ours, as you see the beauty of the morning dew. As you smell the summer flowers, as you pass away the hours: May the saints and savi­our watch over you.“ Dann hält sie inne: „Woher kennst du das Lied?“
„Es gibt eine schottische Band, „The Electrics”, die hat das Lied im Programm. Ich glaube allerdings nicht, dass die es erfunden haben, wahrscheinlich ist es wesentlich älter.“
„Und woher kannst du mit dem Bass umgehen?“, erkundigt Miloš sich und holt sein Instrument zurück.
„Ich kann Gitarre spielen, das wusstest du nicht?“, kopiere ich seinen Satzbau von eben.
Vermutlich erkennt er ihn, denn er grinst vor sich hin.
Lisanne spielt die Melodie auf dem Akkordeon. „Sing noch mal“, sagt sie zu Merle.
Die stimmt wieder den Refrain an und wir alle machen mit, aber in der Mitte der ersten Strophe treibe ich sie an: „Heya! Das muss schneller gehen! Wir sind kein Beerdigungszug!“
Zeile für Zeile verändert sich nun das Lied, bis wir es von einer getragenen Folk-Weise zu einem fetzigen Rocklied umgewandelt haben.
„Donnerscheiße!“, lacht sie zum Schluss, „Es ist ja ein Reisesegen, aber das muss eine ziemlich eilige Reise sein.“
Mir gefällt es auch. Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, wie wenig Simones Fehlen unsere musikalische Entfaltung stört. Kaum ist sie nicht dabei, können wir die Vorgaben eines Liedes verlassen und etwas ganz anderes daraus machen. Simone ist immer so unflexibel. Am liebsten würde sie mit aufgeschlagenem Heft auf dem Notenständer spielen, aber das habe ich ihr verboten. (89) Hoffentlich ist es nicht Aufgabe des Bandgründers, unpassende Musiker aus der Band auszusortieren.
„Was soll denn Donnerscheiße sein?“, will Lisanne amüsiert wissen.
„Das ist mein deutsches Lieblingswort. Ein Kumpel hat das mal gesagt, es ist cool, ne?“
„Was bedeutet es?“, will Miloš wissen.
Zugleich sage ich: „Ist das vielleicht so was wie Donnerdrummel? Das sagt–“
„Jeremy“, unterbricht sie mich schon wieder, „Das ist unser Name.“
„Was, Donnerdrummel?“, frage ich skeptisch.
„Was bedeutet es?“
„Ja. Donnerdrummel“, wiederholt sie, während Merle sich erbarmt und wenigstens schon mal ihr Lieblingswort übersetzt.
Ich wette, Lisanne weiß, dass das einer der Flüche aus der Kindergeschichte Ronja Räubertochter ist. „Zum Donnerdrummel!“ ist da eine oft gehörte Wendung. Allerdings in der deutschen Fassung. Woher weiß sie das? Das kann nicht alles nur daran liegen, dass ihre Mutter Buchhändlerin ist. (90)
„Die Vorband von Linkin' Park: Donnerdrummel. Wie klingt denn das?“, bemängelt Miloš. „Da können wir uns auch Magenknurren nennen.“
Ganz ehrlich? Der Name ist so schräg, dass ich von mir aus nie versucht hätte, ihn als Bandnamen durchzusetzen. Schräg – und einzigartig. Auf der ganzen Welt wird es keine zweite Band mit dem Namen geben. Weil es wahrscheinlich von mir erwartet wird, spiele ich mich als Chef auf: „Ich, Bandgründer, verkünde hiermit, dass unsere Band „Donnerdrummel“ heißt, und wem das nicht passt, der kann gehen, und wer diese Debatte um den Bandnamen noch mal anfängt, muss uns zur Strafe alle zu sich nach Hause einladen und dann ein leckeres Essen mit mindestens drei Gängen kochen. Basta.“

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