30. August 2015

185

Während des Liedes und des nachfolgenden tauschen Miloš und ich uns mit Blicken und sparsamen Gesten über Merle aus. Sie ist Fan von meinem Schlagzeugstil. Gut. Aber ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Ihre raue Stimme, mit der sie unerwartet gut herumbrüllen kann, ist zwar zu gebrauchen, aber sonst? Die Stimme allein reicht nicht aus, um mich zu überzeugen, dass wir eine gute Band werden können.
„Komm mit raus“, sagt er danach zu mir.
„Geht ihr euch jetzt beraten?“, fragt Merle, die das mitbekommen hat. Weil er nickt, legt sie nach: „Ich kann auch raus gehen, dann seid ihr hier unter euch.“
„Es geht keinen an, was wir reden“, lehnt er ab.
„Tolle Demokratie!“, beschwert Simone sich. „Heißt das also, ihr beide beschließt was und dann sind gefälligst alle dieser Meinung?!“
Er kümmert sich nicht um sie, sagt mir „Komm mit“ und wir verlassen den Raum. Eine halbe Treppe tiefer stelle ich fest: „Du bist dafür, sie zu nehmen.“
„Ja. Und du bist dagegen.“
„Kein großes Geheimnis.“
„Willst du wissen, warum ich sie dabei haben will?“
„Leg los.“
„Erstens“, fängt mein strukturierter Kumpel seine übliche Aufzählung an. „Die Frau kann viel mehr als rumbrüllen. Wenn wir uns eines Tages irgendwohin entwickeln, geht sie mit. Zweitens. Sie kann gleich gut mit Simone und Lisanne. Kein Zickenterror.“
„Hättest du gedacht, dass Lisanne so zickig sein kann?“, werfe ich grinsend ein.
Er grinst mit. „Nee. Aber bei Eelco hat sie auch niemand angegriffen.“
Ich kehre zum Thema zurück: „Wenn ich jemand besseres finde, können wir das ja noch mal neu verhandeln.“
„Machen wir so“, ist Miloš einverstanden.
Im Proberaum verkündet er unseren Entschluss: „Wir sind dafür, dass Merle mitmacht. Lisanne, was meinst du?“
Lisanne nickt.
„Hast du was dagegen?“, wendet er sich an Simone. Sie schüttelt den Kopf und er fragt: „Was regst du dich auf?“

Als Cokko am nächsten Tag von der Arbeit kommt, berichte ich von den neuen Entwicklungen (gestern Abend war es zu spät, er schlief schon).
„Was?!“ Er guckt mich entsetzt an. „Wie nennt ihr euch?“
„Pussycore“, wiederhole ich. Nun gut, begeistert bin ich nach wie vor nicht, aber warum reagiert er so heftig? Mir fällt eine Erklärung für seine Reaktion ein: „Warum fragst du, kanntest du schon mal eine Band, die so hieß?“
„Nein, aber weißt du, was das Wort bedeutet?“
„Nö, nicht genau. Merle hat das gesagt. Ich denke mal, Pussycore ist so eine Art Hardcore, wenn man es nicht kann oder so.“ Ich schaue in Cokkos Gesicht und da sieht es danach aus, als wäre meine Übersetzung die falsche. „Was genau heißt Pussycore?“, erkundige ich mich.
„Das Wort wird in der Pornoszene verwendet und heißt Vagina, aber nicht so … offiziell.“
„Und woher weißt du, welche Worte in der Pornoszene verwendet werden?“, frage ich interessiert nach.
„Man nennt das Allgemeinwissen. Falls ihr noch mal ein Wort findet, das euch so gefällt, dass ihr es zum Bandnamen nehmen wollt, versprich mir, dass du erst fragst, was es heißt.“
Ich nicke. Wenn ich gewusst hätte, was das bedeutet, hätte ich, Abstimmung hin oder her, nie zugelassen, dass wir uns so nennen. Gut, dass sich meines Bruders Allgemeinwissen über mehrere Sprachen erstreckt. Das wäre peinlich geworden, wenn wir irgendwo aufgetreten wären und alle hätten wegen dem Namen eine Porno­show erwartet!
Also klingele ich meine Band zusammen, das heißt, alle bis auf Simone, die keine Zeit hat. Es ist total unpraktisch, dass sie in Hoorn wohnt. (88) Die meisten spontanen Treffen scheitern daran, dass sie eben nicht spontan herkommen kann. (Wobei ich den Verdacht habe, dass die Hälfte dieser spontanen Treffen ohne sie auskommen muss, weil sie keine Lust hat. Hoorn ist ja gleich um die Ecke, eine weite Fahrt hätte sie nicht.)

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