„Na ja, es muss ja jemand sein, der irgendwie mit der Schule zu tun hat. Ich kümmere mich drum. Wenn du morgen den Personalbogen abgibst, sagst du Djamila bitte von deinen Defiziten.“ Meine Worte sind noch nicht verklungen, da weiß ich schon, dass er dagegen ist. Irgendwas läuft zwischen den beiden. „Willst du dir die Chance dadurch versauen? Wenn das sein muss, gehe ich wieder mit, aber du sagst es ihr selber.“
„Okay“, ergibt er sich, „ich sage dir Bescheid.“
Nun erscheint Mommi in der Wohnzimmertür. „Ich mache uns Abendessen. Werdet ihr bis dahin mit dem Schreibkram fertig?“
„Ja“, sagt er und lächelt sie an.
Sie lächelt zurück. „Ohne weiteres Geschrei?“
„Ja, ganz sicher“, verspricht er und sieht total erleichtert aus.
Ob die beiden noch mehr Geheimnisse vor mir haben? Ich wusste zwar, dass er „Wolkenpudding und andere Zuwendungen“ bekommt, um mich mal selbst zu zitieren, aber mir ist nicht klar gewesen, wie das praktisch aussehen kann.
neunundfünfzigstes Kapitel
Am nächsten Tag kommt Miloš mich im vorderen Haus besuchen. „Stell dir vor“, strahlt er mich aus allen verfügbaren Knopflöchern an, „Ich habe jetzt eine halbe Stunde Mittagspause.“
„Was ist daran so besonderes?“
„Ich habe sehr lange keine Mittagspause gehabt“, erklärt er. „Wer keine Arbeit hat, hat auch keine Pausen.“
Eine andere Sache finde ich interessanter: „Hast du mit Djamila geredet?“
„Ja. Das war erstaunlich. Sie findet es gar nicht wichtig. Ich soll den Mädchen die Sprache beibringen und dann können sie sich den Unterrichtsstoff selbst aneignen, sagt sie.“ Er hält einen Moment inne. Dann: „Könntest du trotzdem einen Lehrer für mich finden?“
„Warum?“
„Weil ich es wissen möchte. Ich könnte Bücher darüber lesen, aber wenn man jemanden fragen kann, lernt man mehr.“
„Stimmt“, sage ich. Und zugleich fällt mir ein, wen ich darum bitten könnte!
Gemeinsam zotteln wir durch die Schulgebäude, bis ich Godfried Admiraal gefunden habe. Das ist der älteste Kollege an der Schule, im Sommer geht er in Rente. Ich stelle die beiden einander vor und er will wissen: „Was kann ich für euch tun?“
„Ich bin der Russisch-Übersetzer für Djamila“, erklärt Miloš. „Aber wenn ich im Unterricht übersetzen soll, will ich die Inhalte vorher begriffen haben. Kannst du mir dabei helfen?“
„Aha“, macht er interessiert. „Warum fragst du nicht deinen Freund? Der ist Lehrer.“
„Na ja, er ist mein Freund. Das soll er bleiben.“
Er nickt. „Gut. Dann kannst du schon mal gehen, Jeremy.“
Ich akzeptiere den höflichen Rausschmiss und überlasse meinen Kumpel dem alten Lehrer, der mich schon seit meiner eigenen Schulzeit kennt.
Dienstags bin ich auf dem Weg zur Bandprobe, als ich Simone vor der Backstube treffe. Sie ist auch gerade angekommen und holt Gitarre und Verstärker aus dem Auto. Sie lässt ihr Instrument nie im Proberaum, weil sie oft zwischendurch spielt und dann will sie nicht erst irgendwo hingehen müssen.
Steven kommt aus dem Haus. „Schlechte Nachrichten“, sagt er. „Heute wird es nichts mit Musikmachen.“
„Oh, warum denn nicht?“, will ich wissen.
„Heute Vormittag hatten wir einen Kurzschluss, zum Glück erst, als wir schon fertig waren mit den meisten Backwaren. Wir haben sofort unsere Elektriker geholt, aber sie haben noch nicht mal das Problem gefunden. Hoffentlich kriegen die das bis heute Abend wieder ans Laufen.“
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