26. August 2015

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„In den sechsten Gruppen bei mir an der MBB sind zwei Mädchen aus einem Land, das früher zur Sowjetunion gehört hat, aber frag mich nicht, aus welchem, das hab ich vergessen“, bemühe ich mich, möglichst zielstrebig auf den Punkt zu kommen, weil mein werter Kumpel sich neulich beschwert hat, dass er, wenn ich was erzähle, immer nach dem roten Faden suchen muss. „Sie verstehen kein Wort niederländisch und sitzen wie gesagt in der sechsten Gruppe herum. Die Lehrerin möchte ihnen helfen, damit sie im Unterricht mitkommen.“ Ohne meinen Bericht (und den roten Faden) zu unterbrechen, würze ich und schmecke ab. „Aber sie kennt niemanden, der russisch kann. Grietje hat das gehört und sie hat mir davon erzählt. Also habe ich Djamila – das ist die Lehrerin – gefragt, was sie davon hält, wenn du für die Mädchen übersetzt. Sie sagt, dass du morgen oder übermorgen kommen sollst, dann kann sie hören, wie viel niederländisch du kannst und ob die Mädchen dich überhaupt verstehen und ob es zum Übersetzen reicht.“
In meinem Gemüsetopf beginnt es zu blubbern und zum Umrühren hole ich einen Holzlöffel aus der unteren Besteckschublade. Außerdem gebe ich die in der Zwischenzeit geschnittenen Tomaten hinzu.
„Kannst du aufhören zu kochen, wenn du redest? Es macht mich durcheinander“, bittet er.
Erst erzähle ich weitschweifig und unstrukturiert, dann soll ich sämtliche anderen Tätigkeiten ruhen lassen – was wird er als nächstes wollen? „Guck weg, dann siehst du mich nicht“, lehne ich ab.
Er grummelt Unverständliches.
Ich schmecke noch einmal ab. „Auf dem Tisch liegt ein Zettel, da hab ich dir aufgeschrie­ben, wo du hinmusst.“ Ich drehe mich zu ihm um und zeige hin, aber Miloš hat ihn schon entdeckt. Er steckt das Papier weg. „Was hast du der Frau über mich erzählt?“, will er wissen.
„Was soll ich ihr erzählt haben?“, gebe ich die Frage zurück. „Nichts, außer, dass du russisch kannst und meines Erachtens auch gut genug niederländisch, dass es zum Übersetzen reicht. Außerdem, dass du viel Zeit hast, weil du arbeitslos bist. Und natürlich, dass du Bass spielst und mein Kumpel bist, aber das hat ja nichts damit zu tun.“
„Hast du ihr gesagt, dass ich bosnischer Serbe bin?“
„Warum hätte ich das tun sollen? Du kannst es ihr selber sagen, wenn es so wichtig ist. Ich hab, glaub ich, nur gesagt, dass du aus Bosnien kommst.“ (77)
Ich rühre noch einmal in meinem Gemüse und frage dann ganz nebenbei: „Gehst du hin?“
Miloš wirkt reichlich unentschlossen und vermutlich tendiert er eher dazu, abzusagen.


achtundfünfzigstes Kapitel

Doch schon am nächsten Tag läuft er mir kurz nach dem Mittagessen über den Weg. Genauer gesagt steht er in unserem Flur herum, als ich während der Stunde Mittags­schlafzeit für die Kleinen mal eben in ein anderes Zimmer will. „Was machst du hier?“, frage ich halblaut, „Djamila ist in einem anderen Haus.“
„Ich habe deinen Zettel verloren“, gibt er verlegen zu, „Kannst du mich hinbringen?“
In diesem Augenblick tritt Grietje aus dem Driehoekenraum am hinteren Ende des Flurs und will in den Pausenraum. Sie kennt Miloš, weil er mich schon ein paar Mal hier abgeholt hat. Um niemanden zu wecken deute ich mit ein paar Zeichen an, dass ich mal eine kleine Weile verschwinden werde. Grietje versteht und nickt, schließlich haben wir gestern noch über den Russisch-Experten gesprochen.

Weil Miloš aus mir unerklärlichen Gründen will, dass ich bei dem Gespräch dabei bin (fürchtet er sich etwa vor meiner Kollegin?), lassen wir uns alle drei an einem Tisch im Lehrer­zimmer nieder, weil dort gerade niemand sonst ist.
Die junge Lehrerin eröffnet, dass sie in der Zwischenzeit mit der Schulleitung gesprochen hat, die bereit ist, dem Übersetzer den für die MBB üblichen Mindestsatz für geringfügige Tätigkeiten zu zahlen. Ob Miloš den Job aber wirklich bekommt, hänge von dem Eindruck ab, den er bei ihr hinterlasse. Im Klartext heißt das, dass Miloš seine Sprachkenntnisse unter Beweis stellen soll.
Djamila zeigt ihm die Räume, in denen die sechste Gruppe zu tun hat. Dabei gibt sie meinem Kumpel einen kleinen Einblick in einen normalen Schultag und erklärt, wie sie sich die Kooperation vorgestellt hat.
Er stellt ein paar kluge Fragen in korrekter Grammatik (78) und ich komme mir überflüssig vor. Was hat er denn gedacht, was auf ihn zukommen würde?

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