26. August 2015

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siebenundfünfzigstes Kapitel

Weil seit einigen Tagen meine Fahrradlampe trotz neu eingesetzter Birne nicht funktioniert, fahre ich gleich nach der Arbeit zu Pieter, der in seiner Fahrradwerkstatt steht und schraubt. Er zerlegt die Lampe, findet keinen Fehler, sieht die Kabel nach und nimmt sich schließlich den Dynamo vor. Mit ein paar Handgriffen zerlegt er auch dieses Teil, schaut hinein und baut mir dann einen neuen (ebenfalls alten) ans Fahrrad an, weil an dem Ding nichts mehr zu retten ist.
Im Gegensatz zum Fahrradladen, wo ich nicht so günstig weggekommen wäre, kostet mich der Service hier keinen Cent. Daher stecke ich in einem unbeobachteten Moment ein paar Euro in Pieters Kaffeekasse, denn er will nicht, dass ich ihm Geld gebe. Er sagt, dass es ein Freund­schaftsdienst ist, wenn er mir das Fahrrad repariert, dafür will er nicht bezahlt werden. Ich finde, dass es ein Freundschaftsdienst ist, wenn ich ihm Geld gebe, denn meine Einkünfte sind regelmäßiger als seine.
Ich bleibe aber nicht mehr lange, weil bald darauf sein Handy klingelt und irgendwer Pieter in eine langwierige Diskussion zu einem mir nicht bekannten Thema verwickelt.
Im Supermarkt um die Ecke kaufe ich ein paar Kleinigkeiten und verkrümele mich dann nach Hause. Die Wohnung sieht aus wie ein Saustall. Erstaunlicherweise sind es hauptsächlich meine Sachen, die herumliegen und kaum welche gehören meinem Bruder. Ob er hier wohl weniger wohnt als ich? Anstatt mich mit der Erörterung zu befassen, begebe ich mich daran, das Chaos zu beseitigen.
Bis Cokko nach Hause kommt, kann noch eine ganze Weile vergehen. Er macht zurzeit viele Überstunden, denn es ist viel Arbeit da. Sein Chef ist einerseits froh, dass er so flexibel ist und andererseits traurig, dass er nur bis zum Sommer im Geschäft bleiben will. Er hat Cokko schon mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag gelockt, aber der lässt sich seine Studienpläne nicht ausreden. Das hätte ich dem Chef gleich sagen können.
Irgendwann habe ich eine begehbare Wohnung hergestellt. Jetzt werde ich noch etwas Gutes kochen. Es ist alles wie im richtigen Leben, erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Als ich gerade die Hirse aufgesetzt habe, fällt mir auf, dass ich beim Einkaufen was verges­sen habe. Also schwinge ich mich wieder aufs Rad und düse zum syrischen Gemüse­händler. Der Syrer – mein Syrer – ist großartig. Er hat eine halbe Stunde länger auf als der Supermarkt, bei dem ich sonst einkaufe, sein Sortiment ist größer und die Ware frischer. Natürlich hat Zuy­derkerk nicht nur einen Supermarkt, es gibt welche, die bis Mitternacht auf haben. Aber die sind am anderen Ende der Stadt.
Wieder zuhause begebe ich mich zügig an die Arbeit und kann mich darüber wundern, dass mein Gehirn manchmal mit ein bisschen Verzögerung funktioniert. Jetzt fallen mir nämlich Miloš und seine Russischkenntnisse ein.
„Willst du was trinken?“, komme ich meinen Gastgeberpflichten nach, als er wenig später in meiner Küche steht. Derweil säubere ich rote und gelbe Paprika von ihren weißen Kernen. Zerkleinert landen sie im Topf, in dem schon gewürfelte Möhren und Sellerie kochen.
„Nein, ich will wissen, warum ich kommen sollte“, sagt er. Damit er nicht im Weg ist, lehnt er sich in den Türrahmen.

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