17. Juli 2015

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Das klingt nach Zickenalarm. Hoffentlich kriegen die beiden sich wieder ein, wenn sie sich vielleicht ein bisschen kennen gelernt haben. (72) Sonst wird das nichts in dieser Besetzung. Ich gehe lieber mal dazwischen. „Bevor ihr euch die Köpfe heiß redet, lasst uns doch einfach ausprobieren, ob es klappt. Wie wär’s, wenn wir anfangen?“
In meiner Eigenschaft als Bandgründer scheine ich eine gewisse Autorität zu innezuhaben, denn die beiden geben ihr Wortgefecht auf und nehmen die Instrumente zur Hand.
Ich lasse mich auf dem rosafarbenen Höckerchen nieder und zähle vor.
„Moment, Moment“, unterbricht Lisanne mich. „Was willst du denn spielen?“
Miloš gibt die Frage zurück: „Hast du Groove?“
Sie lacht. „Na klar hab ich Groove, jede Menge sogar.“
„Wenn du richtigen Groove hast, ist es gut, wenn du Pop spielst, fliegst du raus.“
„Ich steh auf Kerle mit klaren Ansagen“, witzelt sie, „So kann ein Mädchen nicht viel falsch machen. Zumindest gibt es dann keine dummen Überraschungen.“
Ich fange wieder mit dem Takt an und Simone steigt mit einer melodischen Akkordfolge ein. Miloš schließt sich mit seinen üblichen, leicht treibenden Bassläufen an und Lisanne muss sich nur noch die richtige Tonhöhe aussuchen. Ich weiß nicht, wie viel der Bandgründer in stilistischen Fragen zu sagen hat (es sollte immerhin eine Mehrheitsentscheidung sein), aber ich finde, dass unsere Musik ziemlich gut klingt.
Als die Improvisation mit ein paar letzten Seufzern des Akkordeons endet, grinst Miloš sie an und sagt: „Es ist ein bisschen langsam, aber von mir aus, wir spielen zusammen.“
„Na, da hab ich ja Glück“, frotzelt Lisanne.
Es ist eine Freude zu sehen, wie die beiden sich mögen. Wird da vielleicht eines Tages mehr draus? Ich beschließe die Augen offen zu halten. „Simone?“, erkundige ich mich.
Sie zuckt mit den Schultern. „Schlecht war es nicht, aber ich hatte mir das eigentlich anders vorgestellt. Noch ‘ne Gitarre oder so.“
„Aber wir haben nun mal nicht noch ‘ne Gitarre oder so. Kann sein, dass wir noch eine finden, aber im Moment musst du ohne klar kommen“, erkläre ich, während ihre 33,3% unaufhaltsam zu 25% schrumpfen. „Und du, Lisanne? Meinst du, du hältst es mit uns aus?“
Sie nickt. „Bestimmt. Nur hast du jetzt immer noch keinen Sänger. Ich gehe ja mal davon aus, dass du keine Instrumentalband aufmachen wolltest.“
„Simone, wie wärs mit Singen?“
„Auf keinen Fall! Ich kann nicht singen. Das will keiner hören, wenn ich singe!“
„Miloš?“
„Wir haben eine klare Abmachung.“
„Welche denn?“, will Simone gleich wissen.
Bevor ich Lisanne fragen kann, sagt sie schon: „Ich hab sehr lange nicht Akkordeon gespielt, zum Stehen ist es noch viel zu anstrengend. Ich muss im Sitzen spielen. Aber dann kann ich logischerweise nicht singen.“
Schicksalsergeben brumme ich: „Na ja, wenn’s sein muss“, und auf einmal sind wieder mengenweise freundliche Blicke auf mich gerichtet. „Aber“, stelle ich Bedingungen, „Wenn ich einen Sänger finde, nehme ich ihn sofort in die Band auf, ohne euch vorher zu fragen und im Refrain machen alle mit, klar?“
„Na logo“, sagt Simone. „Welche Abmachung habt ihr?“
Manchmal geht sie mir echt auf den Keks mit ihrer ständigen Nachfragerei. Das weiß ich schon jetzt, obwohl wir uns kaum kennen.
Sie stößt die Luft aus. „Wenn das so ein Geheimnis zwischen euch ist, sagt es halt nicht!“
Lisanne redet von etwas anderem: „Hast du dir schon was überlegt, wie du die Band nennen willst?“
Ich sage „Nö“, und gleichzeitig empfiehlt Miloš: „Himbeereis! Immer wenn ich Schlagzeug angucke, habe ich Hunger auf Eis.“
„Ach, das ist doch Blödsinn“, findet Lisanne. „Himbeereis, das klingt ein bisschen zu sehr nach einer Pop-Band. Ich dachte, das Thema hätten wir hinter uns.“

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