17. Juli 2015

152

Wäre ich böse – was würde das bringen? Ich winke ab. Wo die Liebe hinfällt, da wächst kein Gras mehr. Für Cokko freue ich mich, ich hatte mir den Abend nur ein bisschen anders vorgestellt. Aber nun ja! Da kann man nichts machen.
Ich gehe zum Telefon und wähle Miloš’ Nummer. Dort ist nach wie vor keiner zuhause.
Also rufe ich Pieter an. Er geht dran, aber nur, um mir mitzuteilen, dass es gerade echt schlecht ist. Aus dem Hintergrund ruft mir Becks einen „Schönen Gruß!“ zu.
Hat Lisanne Lust, ihren Abend mit mir zu verbringen? Ich erfahre von ihrem Anrufbeantworter, dass sie nicht da ist, aber möchte ich vielleicht eine Nachricht hinterlassen?
Nein, möchte ich nicht. Ich ziehe Jacke und Schuhe an und gehe aus der Wohnung.

Kreuz und quer fahre ich durch die Stadt, stelle fest, dass Mommi natürlich nicht zuhause ist, und frage mich allmählich, ob ich irgendwas verpasst habe. Miloš kriegt eine allerletzte Chance und nutzt sie nicht. Scheint so, dass er wirklich nach Alkmaar gefahren ist. Also kehre ich in meiner Lieblingskneipe ein, trinke ein Bier und noch eins, bis ich mich ausreichend bettschwer fühle und begebe mich dann genau da hin.
Dieser Tag soll ohne mich zusehen, wie er zu Ende kommt.


zweiundfünfzigstes Kapitel

Mittlerweile ist der Frühling sichtbar über Stadt und Land herein gebrochen.
Die steigenden Temperaturen und die länger werdenden Tage machen mich außerordentlich unruhig. Wie ein Zugvogel bin ich kaum noch auf einem Fleck festzuhalten. In jeder freien Minute bin ich draußen unterwegs, wobei ich mehr als einmal bis auf die Haut nass werde – trotz Regenkleidung. Das ist jedoch alles nur die Vorbereitung, denn Frühling heißt: Ich kann wieder in See stechen!
Meine Unruhe wird so schlimm, dass Cokko (71) mich eines Tages aus der Wohnung wirft. Wenn Segeln das einzige sei, das mich glücklich machen kann, dann soll ich das tun, sagt er, und schiebt mich ins Treppenhaus ab. Er gibt mir zwar alle Sachen, die ich haben möchte, aber er lässt mich nicht wieder in die Wohnung kommen. Das werde ich mit ihm demnächst auch so machen, wenn er mir auf den Geist geht.
Glücklicherweise habe ich die Kaap Hoorn schon neulich aus ihrer Winterruhe geweckt. Dafür wäre jetzt keine Zeit – wer weiß schon, wie stark der Frühlingsbeginn dieses Jahr ist! Jederzeit könnte es der Winter auf eine Kraftprobe ankommen lassen wollen.
Auf dem Weg zum Anleger begegnet mir Miloš, der aussieht, als wolle er gerade los joggen. Der Sport zusammen mit Cokko reicht ihm nicht, außerdem hat er ja viel mehr Zeit als der. Also läuft er am Tag so um die zehn Kilometer und bei Schönwetter geht er auch schwimmen. Schönwetter ist fast immer.
Er will wissen, wohin ich so eilig unterwegs bin. Als er es weiß, will er unbedingt mitkommen. Ich habe ihm schon viel von der Kaap Hoorn erzählt und er hat sie auch ein paar Mal betreten, doch mitgefahren ist er noch nie.
„Wirst du seekrank?“, frage ich ihn am Visserdijk.
Miloš ist neben meinem Fahrrad hergelaufen und ein bisschen aus der Puste. „Wie soll ich das wissen?“
Stimmt. Jemand, der noch nie auf See war, weiß nicht, ob er seekrank wird. Wir werden es ausprobieren. Wenn er anfängt, grün zu werden, kehren wir eben um.

Das IJsselmeer ist eine kabbelige Fläche voller kleiner übermütiger Wellen; oben drüber liegt eine graublaue Zeltplane voller Wolken, die alle schnell irgendwo hinwollen.

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