„Weil es hier ziemlich ungemütlich ist. Für längere Aufenthalte bist du jedenfalls nicht besonders gut eingerichtet. Zumindest ein paar Stühle wären nicht schlecht.“
„Wir können ja zu mir fahren, wenn du noch ein bisschen quatschen willst“, biete ich an.
Natürlich hat sie Recht, was die Ausstattung des Raumes betrifft. Aber Miloš und ich hatten bisher anderes zu tun, als darauf zu achten. Das einzige, was wir nach den Instrumenten noch hergeschafft haben, ist ein ganzer Turm von Mineralwasserkästen, den wir jetzt Flasche für Flasche leersaufen werden. Das kann nicht lange dauern, denn hier ist es ja immer schön warm. Ich werde demnächst mal in der schuleigenen Rumpelkammer nach ein paar Stühlen und anderem Inventar suchen, das keiner mehr haben möchte. Das Schlagzeug zum Beispiel steht besser, wenn es auf einem Teppich oder einer anderen rutschsicheren Unterlage aufgebaut ist. Derzeit steht es auf dem hellgrauen Fußbodenlack, mit dem die ganze Etage gestrichen wurde.
Cokko sitzt gerade am Computer und chattet mit seinem Pa. Damit wir nicht stören, lassen wir uns in der Küche nieder. Da ist es jedenfalls gemütlicher als im Proberaum. Mein Kühlschrank enthält noch ein paar leckere Sachen und es gibt auch mehr als Wasser zu trinken.
Bald weiß ich, dass sie mit einer Freundin zusammen in Hoorn wohnt und beide in einem Reisebüro arbeiten; dort haben sie sich kennen gelernt. Die Freundin ist glücklich mit dem Job, sie hingegen wird im Sommer ein Studium der Tiermedizin beginnen. Sie ist 22 Jahre alt (mit meiner Schätzung lag ich überraschend nah dran) und ihre Oma, die eine Zuydersche ist, hat sie schon einmal an eine Band vermittelt. „Das war diese Kirchenband, ich hab aber vergessen, mit wem ich da zu tun hatte.“
„Wahrscheinlich mit Eelco.“
„Ach ja, genau. Der wollte mich nicht, er meinte, er hätte schon einen Gitarristen. Ich hab ihm trotzdem ein Demo gegeben, weil es ja auch Bands mit zwei Gitarren gibt, aber er hat gesagt, es wäre nicht nötig, dass ich zu einer Probe komme.“
Typisch Eelco. Er kann es nicht ausstehen, wenn ihm einer reinredet. Wenn nun so eine hergelaufene Gitarristin kommt und behauptet, ein guter Musiker zu sein, ist er aus Prinzip erst mal dagegen.
„Woher kennst du diesen Eelco?“, unterbricht Simone meine Gedanken.
„Ich war auch in der Jesus-Pop-Band, aber ich bin rausgeflogen, weil ich für Eelcos Empfinden zu selten zu den Proben gekommen bin. Vielleicht solltest du es da jetzt noch mal versuchen, Eelco ist nämlich seit meinem Abgang auch seinen Bassisten quitt und die Neuen haben’s wohl musikalisch nicht so drauf.“
„Ach, und dieser Bassist ist dein Kumpel?“
„Richtig.“
Das mit der einvernehmlichen Bandgründung könnte ein bisschen schwierig werden, denn Simone macht melodischen Soft-Rock und Miloš und ich haben es gern ein bisschen härter und zügiger, aber wer sich den Aufgaben des Lebens nicht stellt, wächst nicht an ihnen. Wie ich Miloš kenne, macht er auch mittelharten Rock’n’Roll, wenn er das Ganze mit mir in einer Band tun kann. Und außerdem baue ich mir lieber jetzt eine Band auf, die mit der Zeit noch ein paar Personalwechsel erlebt oder erleidet, als dass ich warte, bis alle perfekt zueinander passen. Dann werde ich warten müssen, bis ich in den Himmel komme. Und ob dort alle nach meiner Pfeife tanzen wollen, ist ja auch noch fraglich.
Jetzt gesellt sich Cokko zu uns in die Küche. Nach dem Chatten ist er oft ziemlich still und so auch heute, aber ich finde es nett, dass er trotzdem zu uns kommt. Er quetscht sich mit dem Klappstuhl zwischen mich und die Wand, sagt seinen Namen und erfährt den unseres Gastes. Sie lächeln sich an und dann ereignet sich eine Naturgewalt: Auf einmal fangen die beiden wie die Weltmeister an zu flirten. Hat man so was schon mal erlebt!
Simone lächelt Cokko an und Cokko lächelt Simone an, dabei reden sie Zeug, das immer unsinniger wird. Längst scheinen sie vergessen zu haben, dass ich mit im Raum sitze. Als ich aufstehe, um die Küche zu verlassen, erwachen sie aus ihrer „Trance“ und Simone sagt zerknirscht: „Tschuldigung, Jeremy, eigentlich war ich ja wegen dir gekommen … sei bitte nicht böse, ja?“
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