17. Juli 2015

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„Fang mal an zu spielen, was dir in den Kopf kommt“, weise ich sie an, um zu sehen, ob wir denselben Groove haben. Groove ist eine total wichtige Sache bei uns Musikanten. Wer keinen hat, ist schlecht dran. Groove ist fast wichtiger als ein Instrument.
Nach ein paar Takten steige ich vorsichtig in ihre Improvisation ein und richte mich dabei ganz nach ihr. Das klappt ganz gut.
Dann übernehme ich den Rhythmus, um zu sehen, ob sie sich auch auf mich einstellen kann: darum geht es hier. Erst klingt es fürchterlich, weil wir eben nicht zusammen spielen, aber dann kriegt sie die Kurve und macht mit. Irgendwann wird es ihr aber zu hektisch.
„Puh“, macht sie, als ich aufgehört habe zu trommeln, „was soll das sein, was du da häm­merst? Eine Nähmaschine bei maximaler Geschwindigkeit?!“
„Mit Nähmaschinen kenne ich mich nicht aus“, sage ich.
„Spielst du immer so schnell?“
„Nein, natürlich nicht. Aber ich wollte wissen, wie schnell du spielst.“
„Aha“, macht sie, „und wie gefällt es dir?“
„Du hast erst die Hälfte vom Test hinter dir“, weiche ich aus. Wenn Miloš hier wäre, wäre sie jedenfalls durchgefallen. Was uns beide betrifft, ist sie zu früh ausgestiegen aus dem Tempotest. Aber vielleicht hat sie andere Qualitäten, mit denen sie uns überzeugen kann.
Ich habe ein Heft, in dem viele Anbetungslieder stehen und das habe ich in ungefähr drei Stunden am Kopierer der Schule vervielfältigt. In meinem wie üblich fast grenzenlosen Optimismus habe ich neulich fünf Exemplare hergestellt. Eine liebenswürdige Unterrichtshelferin, deren Job eigentlich andere Dinge sind, hat mir die Blätter zusammen gebunden und in feste Plastikhüllen gesteckt, und jetzt hat die werdende Band eine Leihbibliothek von fünf schönen Liederheften und einem völlig zerfledderten Exemplar (das ist meins).
Ich gebe ihr eins der Hefte, „Guck mal nach, was du kennst“, und sie blättert es auf. Gleich das zweite, „You are welcome“, das wir auf der Melodie eines Klassikers der Guns’n’Roses spielen, ist ihr geläufig. Ich zähle an und dann rocken wir durch das Lied. Das funktioniert schon viel besser als die Improvisation.
Deswegen eröffne ich ihr danach: „Also, wenn es nach mir geht, gehörst du zur Band.“
Das freut sie sichtlich. „Wie weit geht es denn nach dir? Wie viel hat dein Kumpel zu sagen?“, möchte sie wissen.
„Solange eine Demokratie aus zwei Leuten besteht, hat jeder die Hälfte zu sagen“, rechne ich ihr meinen Stimmanteil vor. Das ist mir fast das wichtigste beim Projekt Bandgründung. Eelco hat vieles im Alleingang entschieden und dann die Band vor vollendete Tatsachen gestellt. Das stinkt mir, und Miloš wird das auch nicht mehr mit sich machen lassen. (70) „Damit sind wir aber noch nicht komplett. Ziemlich sicher ist, dass Lisanne, eine Freundin von uns, noch zur Band dazu kommt, und wenn du einen kennst, der vielleicht zu uns passen könnte, spricht nichts dagegen, dass du den oder die mal mitbringst“, lade ich ein. „Die Musikrichtung ist uns zwar ziemlich wichtig, aber dass wir persönlich miteinander klar kommen, ist noch ein bisschen wichtiger.“
„Okay, dann guck ich mich mal um“, verspricht sie.
„Da fällt mir ein: Schlagzeuger und Bassisten brauchen wir natürlich nicht mehr, egal wie gut sie zu uns passen. Die haben Pech.“
Sie lacht, „Das dachte ich mir. Weißt du vielleicht schon ungefähr, wann ihr … ähm, wir Probe haben?“
„Nein. Miloš und ich–“
Wie heißt dein Kumpel?“, unterbricht sie.
„Miloš“, wiederhole ich und bringe meinen Satz zu Ende: „Wir treffen uns sowieso ziemlich oft, und wann Lisanne kann, weiß ich nicht. Da müssen wir dann mal beratschlagen. Hast du vielleicht noch irgendwelche Fragen zur Band oder so?“
„Im Moment nicht“, sagt sie, „Mal was anderes: Hast du den Proberaum schon lange?“
„Nein, wie kommst du drauf?“

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