17. Juli 2015

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Schon wieder geht er dazwischen: „Kann ich mitkommen? Ich war noch nie auf einer Insel, außer in Adria.“
Cokko und ich gucken uns fragend an, bis wir beide zugleich nicken. „Dann wird es aber nichts mit dem Einzelzimmer. Zu zweit geht es noch da drin, aber zu dritt ist es zu eng“, sagt er und grinst immer noch. Wir tun oft Sachen zur gleichen Zeit, als wären wir über Funk verbunden. Wir haben das schon bei vielen Gelegenheiten ausprobiert und es klappt fast immer.
„Wir sollten Pieter fragen, ob er auch mit will“, schlage ich vor.
„Au ja, wir machen eine Junggesellentour!“
„Was ist Junggesellentour?“, fragt Miloš.
„Das heißt, dass wir nur Kerle sind und keiner seine Freundin mitnimmt. Junggeselle ist ein altes Wort für Single“, erklärt Cokko.
„Gut“, sagt er ernst. „Darf ich nächstes halbes Jahr keine heiße Frau kennen lernen. Sonst nix Dersummeroog.“
Wir lachen alle drei.
Ich finde Miloš ziemlich cool, denn er hat einen trockenen Humor. Außerdem klingt sein Niederländisch sehr merkwürdig, weil er keine Umlaute machen kann. Wenn unsereiner „glücklich“ sagt, heißt das Wort bei ihm „glucklich“. Weil er aber so viel Zeit mit uns verbringt, ist sein Niederländisch schon viel besser geworden. Das sagt auch seine Mutter, wobei ich mich allerdings frage, wie sie das beurteilen will, denn sie versteht viel weniger als er. Das wiederum weiß ich, weil Miloš übersetzen muss, wenn seine Mutter mal etwas zu mir sagt. Und daran kann man erkennen, dass sie – woher auch immer sie das wissen will – Recht hat, denn mittlerweile klappt es ganz gut mit der Verständigung. Er grinst und schweigt zwar nach wie vor ziemlich viel, aber er kennt viel mehr Wörter als damals, als er in Eelcos Band kam.
Seitdem sind ihm einige der grammatikalischen Geheimnisse unserer Sprache klar geworden, zum Beispiel die Auswirkungen von Person und Zeit auf ein Verb. Letztes Jahr hat er damit noch große Schwierigkeiten gehabt. Was sicherlich seinen Teil dazu beigetragen hat, ist seine Freundschaft zu Cokko. Der korrigiert ihn oft, denn mein Bruder findet es offenbar wichtig, dass Miloš die Sprache richtig lernt. Zwar bin eigentlich ich der Sprachlehrer unter uns, aber weil Miloš mich nicht darum gebeten hat, lasse ich meinen Beruf Beruf sein, wenn ich Feierabend habe.
„Aber dann können wir das Einzelzimmer wirklich vergessen“, wendet Cokko ein.
„Das stimmt. Schreib Ieuwkje, dass wir ein Zelt mitbringen und im Garten pennen.“
„Hast du ein Zelt, in das vier Leute passen?“, fragt er zurück.
„Nein, aber ich werde eins finden. Ich frage in der Schule“, verbreite ich Optimismus, „das klappt schon alles.“
Mein Bruder gibt sich anscheinend mit meiner Aussage zufrieden und tippt rasend schnell auf seiner Tastatur herum. Kaum hat er die Mail fertig und den Laptop geschlossen, piepst sein Handy. Er nimmt es zur Hand, liest und sagt: „Pieter fragt, wer mitfährt ins Mijlenver.“
Miloš ist sofort dabei.
Das „Mijlenver“ ist eine ziemlich abgedrehte Disco in Alkmaar. Die Musik ist nicht mein Fall. Man kann ganz gut auf diese Musik tanzen, aber da ich nicht tanze, sehe ich keinen Sinn, mich dort blicken zu lassen. Außerdem gönne ich mir auch gerne mal einen ruhigen Abend.
„Warum frag’ ich eigentlich?“, murmelt Cokko, „Dass du keinen Bock hast, hätte ich mir doch denken können.“ Ebenso schnell wie beim Tippen im Laptop entsteht jetzt seine Antwort für Pieter: „Jeremy will nicht, Miloš will und ich bin noch nicht sicher, wem ich mich anschließe. Wann fährst du los?“

Die beiden bequatschen mich so lange, bis ich schließlich doch mitkomme.
Pieter hält eine Überraschung für uns bereit. Vor der Disco wartet eine junge Frau auf uns, die er mit den knappen Worten „das ist Becks“ vorstellt. Die Blicke, die sie einander zuwerfen, sind aber alles andere als knapp, sondern außerordentlich umfangreich und wir drei fühlen uns ein bisschen wie bestellt und nicht abgeholt.
Miloš und Cokko machen das Beste daraus und füllen mich mit Alkohol ab, bis ich meine langen Knochen zur Musik bewegen kann. Mit nüchternem Kopf weiß ich nämlich, dass ich nicht tanzen kann, deswegen erspare ich uns allen diese peinliche Vorstellung und stehe – solange ich Herr meiner Handlungen bin – lieber am Rand herum, wo es niemanden stört.
Davon abgesehen, dass ich am nächsten Tag einen Kater habe, ist es ein lustiger Abend gewesen, den wir gerne wiederholen können. Ich finde es allerdings lästig, dass ich nach solchen Vergnügungen immer mit Spätfolgen rechnen muss, denn ich vertrage kaum Alkohol.

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