neunundvierzigstes Kapitel
Ich versuche gleich am nächsten Werktag, den Bäcker anzurufen, um eine Verabredung zu vereinbaren, erwische ihn jedoch erst am Wochenende persönlich.
Der Mann heißt Steven und ist ungefähr 40 oder 45 Jahre alt. Er zeigt mir die Backstube und erklärt mir dies und das zu den Arbeitsvorgängen. Dann möchte er wissen, welche Art Musik ich mache. Ich erkläre ihm, was Miloš und ich bevorzugen und in welche Richtung es vermutlich gehen wird. Steven lacht, dass er es dann sicher mitbekommen wird, wenn wir im Haus sind.
Der potenzielle Proberaum ist ein großes leeres Zimmer oberhalb der Backstube. Es gefällt mir gut und ich denke, es ist geeignet, um einer Band eine Heimat zu geben.
Ich frage Steven, was er sich denn so an Miete vorgestellt hat. Weil der Raum echt groß ist, rechne ich damit, dass ich mir das nicht leisten kann. Es war ein schöner Traum vom Proberaum. Aber er nennt mir seinen Preis und liefert eine Finanzierungsmöglichkeit gleich mit: „Du musst es nicht gleich als erstes bezahlen, ich strecke dir zwei Monatsmieten vor. Wenn du deine Band komplett hast, legst du die Miete auf alle um, das dürfte kein Problem sein.“ Nun guckt Steven zur Uhr und sagt: „Sorry, es ist schon furchtbar spät. Ich muss los. Hab noch Termine. Ich geb’ dir meine Bankverbindung später. Tschüss!“
Und weg ist er. Ich stehe noch eine Weile in meinem werdenden Proberaum herum und stelle mir vor, wo das Schlagzeug am praktischsten stehen könnte. Irgendwann mache ich ein Fenster auf, weil mir ziemlich warm ist. Als das Fenster auf ist, fällt mir auf, dass draußen gerade Winter ist. Ich scheine einen heißen Proberaum ergattert zu haben. Es wird eine schweißtreibende Angelegenheit werden, hier Musik zu machen. Na ja, denke ich dann, in der Scheune von Maartens Eltern ist es im Winter klirrend kalt gewesen. Jeder Übungsraum hat Vor- und Nachteile. Hier müssen wir jedenfalls nicht heizen. Schwitzen soll ja auch gesund sein.
Am Donnerstagnachmittag ist strahlend schönes Vorfrühlingswetter, das ich am liebsten auf der Kaap Hoorn und in den Grachten der Umgebung genießen würde. Diese milden Tage sind Mitte März eine Rarität; schon morgen kann es wieder grau und fies sein!
Aber erstens steckt die Kaap Hoorn noch zum Schutz vor dem Winter unter ihrer Persenning (also bis auf den Mast, der guckt raus) und zweitens hat mir der Arzt dringend geraten, mit dem Segeln noch eine kleine Weile zu warten.
Natürlich hat er Recht, denn auch bei milder Witterung kann es auf dem Wasser zu Situationen kommen, in denen ich den Arm mehr belasten muss, als ihm gut tut. Deswegen bin ich ein braver Patient und tue, was Onkel Doktor gesagt hat.
Und da ich mich nicht meinem wiedererwachenden Fernweh hingeben darf, lenke ich mich mit meinem wie üblich leicht verlotterten Haushalt ab. Nachdem ich die Küche aufgeräumt und die Schränke ausgewischt habe, genehmige ich mir ein bisschen Bewegung und gehe einkaufen.
Im großen Einkaufszentrum am Bahnhof sehe ich meine ehemalige Bandkollegin Lisanne, die völlig vertieft die Anwendungshinweise eines Fleckenentferners liest. Aus Spaß fahre ich sie mit meinem Wagen an.
Abgelenkt murmelt sie: „Entschuldigung“, schaut aber gar nicht von ihrer Lektüre auf. Daher sehe ich mich genötigt, sie noch einmal anzufahren. Sie entschuldigt sich wieder, guckt aber immer noch nicht hin, wer so unverschämt viel Platz braucht. Stattdessen weicht sie aus.
„Wieso entschuldigst du dich eigentlich für Dinge, für die du gar nichts kannst?“, frage ich.
„Hoi Jeremy“, sagt sie jetzt und stellt die Flasche zurück ins Regal. „Lange nicht gesehen, wie geht’s dir? Oh, du bist den Gips los!“
„Ja, seit zwei Wochen ist er ab. So langsam kommt wieder Leben in die Bude.“ Ich demonstriere ihr meine neue Beweglichkeit, die noch keine ist, eher eine Steifheit. Dabei erkundige ich mich: „Und, was macht die Jesus-Pop-Band?“
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