17. Juli 2015

141

Cokko steht erst eine Weile sprachlos vor meinem neuen Schatz (ich weiß nicht, ob er nichts sagt, weil ihm vor Freude nichts einfällt, oder weil ihm schlicht die Schreckensausrufe im Halse stecken bleiben), dann erkundigt er sich: „Wo wirst du üben? Hier?“
„Nee, das würde zu viele Ohrenstöpsel kosten. Die ganze Nachbarschaft würde welche haben wollen. Mommi kennt einen Bäcker, der oberhalb seiner Backstube Platz für mich hat. Ich hab ihn aber noch nicht getroffen, ich weiß nicht, ob wir handelseinig werden“, erkläre ich. Dann fällt mir ein: „Warum fragst du?“
„Na ja, ich hatte mich schon mal mental darauf eingestellt, dass man mit Steinen oder anderen Gegenständen nach mir werfen wird. Einem Typ in meiner Schule ist es so gegangen. Seine Brüder haben Schlagzeug und Dudelsack gespielt.“
„Dann lag das bestimmt an dem Dudelsack.“
„Nee, das lag eher an den Brüdern. Echte Nervensägen. Als sie dann noch ihre Musik angefangen haben, haben sie den Bogen überspannt.“
„Na ja, dann kann es dir ja eh nicht so ergehen. Ich bin schließlich keine Nervensäge.“
Sachte wiegt er seinen Kopf hin und her, als sei er damit nicht ganz sicher.
Ich beende den Versuch, über etwas anderes als meinen neuen Schatz zu reden, lasse mich auf dem Höckerchen nieder und beweise mit einem fetzigen Trommelwirbel, dass ich noch ganz anders kann.
Sehr kurz darauf klingelt es an der Tür und mein Bruder geht hin, denn ich kann gerade nicht. Ich sitze verzückt inmitten meines rosafarbenen Schatzes und beglückwünsche mich dazu, zur richtigen Zeit im richtigen Laden gewesen zu sein.
An der Stimme höre ich, dass Betty aus der Etage drunter im Flur steht. Cokko bittet sie in die Werkstatt zu kommen. Sie jedoch möchte nicht herein kommen, sondern nur in aller Ruhe vor dem Fernseher sitzen und dabei auch noch hören können, was der Nachrichtensprecher sagt. Als Cokko ihr erklärt, dass ich das Schlagzeug heute neu bekommen habe, zeigt sie sich etwas versöhnt mit dem, was sie Krach nennt, bittet aber, demnächst zu trommeln, wenn keiner sonst im Haus ist.
„Du hättest das mit den Ohrenstöpseln vielleicht gleich nachmittags anfangen sollen“, überlegt er, als er wieder ins Zimmer kommt und mir Bettys Bitte mitgeteilt hat. „Darf ich vielleicht auch mal ein bisschen trommeln?“
„Nein. Erstens hat Betty sich gerade schon über mein Können beschwert, da wird sie dein Nicht-Können nicht toller finden und zweitens hätte ich gern, wenn du überhaupt die Finger davon lässt“, sage ich und liefere die Erklärung dafür gleich mit: „Es sieht vielleicht aus wie ein Haufen Trommeln, die jede auf ihrem eigenen Ständer steht, aber es ist mühsam, alles richtig einzurichten, wenn einer was verändert hat. Außerdem ist das nicht irgendein Anfängerschlagzeug, sondern eine Geldanlage. Ich möchte möglichst lang drauf spielen können.“
„Du tust, als würde ich alles nur kaputt machen“, bemerkt Cokko ärgerlich und klingt jetzt genau wie ein kleiner Bruder, dem gerade was verboten worden ist.
„Mit deinem Laptop ist es übrigens auch so gewesen“, erinnere ich. „Bevor du mir ein eigenes Benutzerkonto angelegt hattest, habe ich die Finger davon gelassen.“
Murrend wendet er sich ab, ich glaube, etwas wie „Mit dem Unterschied, dass der Laptop dich nicht die Bohne interessiert hat“ herauszuhören. Da hat er natürlich Recht. Demnächst, wenn das Schlagzeug im Proberaum steht, werd ich ihm ein paar Freistunden Trommelunterricht gewähren. Dann kann er alles ausprobieren, was er will.

Keine Kommentare: