17. Juli 2015

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„Alter, ich bin nicht schwerhörig!“, beschwert Pieter sich, „Zumindest noch nicht.“
„Was gibt’s denn?“, frage ich ungeduldig. Ruft er an, um nachzuprüfen, ob ich brav zuhause geblieben bin?
„Was würdest du davon halten, wenn ich dir ein Schlagzeug mitbringe, das jetzt ungefähr ein Viertel weniger kostet als das, was du haben willst, neu aber das doppelte wert war?“
„Oh“, mache ich. „Davon würde ich sehr viel halten. Ist ein Haken dran?“
„Na ja“, macht Pieter.
„Ist was kaputt? Sind Mäuseleichen drin? Muss ich den Vorbesitzer mitkaufen?“
„Nun ja, nicht ganz. Es ist pink und überall steht „Spice-Girls“ drauf. Das Teil hat angeblich mal einen tierischen Haufen Kohle gekostet, ich wette, die Tussi kann sich auch so einen guten Fitnesstrainer leisten wie mich. Voraussetzung ist natürlich, sie wird das Ding los.“
Etwas piepst in meinem Telefon. Ich überhöre das Geräusch. „Und warum hab ich das Teil nicht im Laden gesehen?“
Pieter stellt die einzig mögliche, sinnvolle Gegenfrage: „Würdest du dir ein Schlagzeug von den Spice-Girls in den Laden stellen?“
Ich lache. „Nee. Bestimmt nicht. Und der Händler sagt, dass es den Haufen Kohle wirklich wert ist? Ich will kein Kinderschlagzeug haben, das nur viel gekostet hat.“ Es piepst wieder. Scheinbar fliegt ein Satellit übers Haus und stört die Telefonverbindung.
„Natürlich sagt der Händler, dass es das wert ist, das täte ich aber auch, wenn ich Händler wäre. Der Mann hat mir vorgeschlagen, ich soll wie abgesprochen dein Geld hier lassen und die Trommeln mitnehmen. Wenn du es schließlich doch nicht haben willst, bringen wir es eben zurück. Solange will er das Schlagzeug für dich zurück halten, das du ausgesucht hattest. Was sagst du dazu?“
Was soll ich dazu sagen? Ich schicke ein „Ähm“ durch die Leitung, das passt immer.
„Denk ein bisschen schneller, mein Akku ist gleich leer“, drängt Pieter.
Ach so, deswegen piepst es, darauf hätte ich kommen können. Ich entschließe mich zu der Antwort, die vermutlich von mir erwartet wird: „Bring das Zeug mit. Es gibt sowieso ein paar Leute, die mich für etwas seltsam halten. Das wird die Gerüchteküche beleben.“

Eine Stunde später titsche ich wie ein aufgescheuchtes Huhn durch meine Werkstatt. Pieter hat mich längst verlassen, weil ich zu keiner artikulieren Äußerung mehr in der Lage bin.
Von den Schriftzügen der Lieblingsband der Vorbesitzerin abgesehen (und natürlich der Farbe) ist dieses Schlagzeug eine echte Wucht!!
Zuyderkerks Musikszene kann sagen was sie will, ich werde dieses Schlagzeug behalten. Eine großartige Zukunft steht mir bevor und meiner Karriere als international anerkanntem Schlagzeuger praktisch nichts mehr im Wege!
Es dauert noch ein paar Stunden, bis Cokko nach Hause kommt, aber ich kann es gar nicht abwarten, jemandem von meinem neuen Schätzchen zu erzählen. Ich mache mich auf den Weg zu Mommi.
Meine liebe Mommi freut sich mit mir. Sie hält ein Sahnestück für mich bereit (nein, es geht nicht um kalorienreichen Kuchen, aber den gibts natürlich auch), denn sie hat vielleicht einen Proberaum für mich.
Als ich neulich erzählt habe, dass ich mir ein neues Schlagzeug zulegen will, hat sie gleich ihre Bekannten zu Rate gezogen. Mommi ist eine Zuydersche, wie die Ureinwohner Zuyderkerks sich nennen. Die alten Zuyderschen helfen einander, sie halten zusammen und wenn es in Zuyderkerk etwas zu erfahren gibt, wissen sie es meist als Erste.
Und das habe ich davon: Ein guter Freund von ihr und Popp ist Bäcker und sein Sohn, der den Betrieb weiterführt, ist kürzlich mit seiner Backstube in ein Gebäude im Industriegebiet Voorland umgezogen. Darin sollen noch weitere Räume frei sein. Mommi gibt mir die Telefonnummer von dem Mann und sagt mir, dass ich ihren Namen nennen soll.
Beziehungen sind wirklich das A und O, wenn man etwas will oder braucht und nicht besonders viel Geld hat.

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