„Weil du da mit einem tierisch bescheuerten Gesichtsausdruck sitzt. Man könnte Saft wegwischen, wenn man so eine Schweinerei gemacht hat wie du. Statt dessen grinst du wie blöde und tust ansonsten gar nichts.“
Ich nicke, weil mir nichts zu sagen einfällt. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht als an die Saftflut.
„Und, großer Philosophenbruder, was geht in deinem Kopf vor?“, bohrt Cokko nach.
„Mein Becher läuft über“, sage ich und lächle glücklich.
„Treffender kann man es kaum beschreiben. Aber was soll mir diese Weisheit sagen?“
Ich verlasse meine süße Gedankenwelt und gebe in reichlich freier Übersetzung wieder: „Hey Gott, du bist mein Beschützer und deswegen geht es mir richtig gut. Bei dir kann ich ausruhen und stehe dann topfit auf. Du hast mir dein Ehrenwort darauf gegeben, dass ich immer auf sicheren Wegen gehe. Selbst wenn mein Leben mal ätzend oder voll stressig ist, habe ich keine Angst, denn du bist bei mir. Du schützt und führst mich, das macht mir Mut. Meine Feinde müssen zugucken, wenn du mich mit leckerem Essen und gutem Trinken verwöhnst, und das ist so viel, dass mein Becher überläuft! An allen Tagen, die noch für mich kommen, kann ich mich in deine Liebe kuscheln wie in eine warme flauschige Decke.“
Jetzt grinst auch Cokko. „Stell dir vor, ich kenne den 23. Psalm, aber so hab ich das noch nie verstanden. Ich dachte, es geht dabei um Schafe. Wahrscheinlich muss ich ab jetzt immer an den Psalm denken, wenn irgendwo was überschwappt. Kannst du eigentlich die ganze Bibel auswendig?“
Ich schüttele den Kopf. „Das wäre ein bisschen viel Text. Aber das Kleine Bibel-Einmaleins hab ich schon drauf, glaub ich, also so die grundlegenden Sachen.“ Bei der Erwähnung fällt mir auf, dass ich nun schon ein Dreivierteljahr lang keine Bibel mehr in der Hand hatte, außer vielleicht mal um einen Vers für eine Geburtstagskarte nachzublättern oder so. Aber es fühlt sich immer noch wie Erdbeersahnetorte an. Also ist es zu früh.
Cokko schaut eine Weile in die Gegend und anscheinend denkt er über das Einmaleins nach, denn schließlich fragt er mich: „Du, sag mal, seit wann bist du so ein Jesus-Fan?“
„Was meinst du damit?“, wünsche ich zu erfahren.
„Na ja, wann hast du damit angefangen? Irgendwann fängt man doch mit so was an.“
Heute scheint der Tag der ausführlichen Antworten zu sein, denn auch hierüber muss ich erst mal ein bisschen in mich gehen. „Also, als ich in der Schule war, da war ich schon mit Jesus unterwegs. Tja, also“, überlege ich vor mich hin, wann ich den entscheidenden Schritt zu Jesus hin und fort von meinem bösen Lebenswandel getan habe. Ich komme zu keinem Ergebnis. Weil mein Bruder sicher noch auf der irdischen Seite der Ewigkeit eine Auskunft möchte, beende ich sein Warten lapidar: „Eigentlich war Gott schon immer da.“
„Ach nee!“, macht Cokko. „Natürlich war er schon immer da. Er hat die Welt geschaffen, wo sollte er also gewesen sein, als du kamst? Vielleicht auf dem Klo?“
Das ist mal ein völlig neuer Denkansatz: Muss Gott aufs Klo? Schließlich hat er uns nach seinem Bilde geschaffen … oder kam der Stoffwechsel erst nach dem Sündenfall und ist daher ein Problem der Schöpfung? Dieser Gedanke ist mir noch nie gekommen! Was täte ich ohne meinen wunderbaren Bruder?! Ich sollte Gott genau beobachten, wenn wir demnächst mal wieder viel Zeit zusammen haben.
„Ich weiß nicht, wann ich mit Jesus angefangen hab. Ich hab noch nie darüber nachgedacht, aber ich hab über alle fast Glaubensfragen, die du mir stellst, noch nie nachgedacht. Wahrscheinlich war ich schon immer ein Jesus-Fan, wie du das nennst.“
Dass Cokko mit dieser Antwort nicht zufrieden ist, kann man ihm leicht ansehen. „Na klar hast du irgendwann damit angefangen! Jeder fängt irgendwann an, mit Jesus zu gehen, oder er tut’s nie, weil er nie zu Gott kommt! Aber du kannst mir nicht erzählen, dass du nie Scheiß gemacht hast.“
„Das behaupte ich ja gar nicht. Aber ich glaub wirklich, dass ich schon immer mit Jesus unterwegs gewesen bin. Wir können Mommi fragen, wenn wir das nächste Mal bei ihr sind, die weiß das bestimmt genau.“
Nun steht er auf. „Entweder gehen wir direkt zu Mommi und essen bei ihr und können sie fragen, oder ich koch jetzt was. Was schlägst du vor?“
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