17. Juli 2015

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Das liegt nicht zwingend daran, dass ich ein ach so schöner Mann bin (Mommi sagt das zwar, aber die gehört zu einer anderen Altersklasse, daher zählt ihre Meinung in diesem Fall nicht), sondern daran, dass ich bei den kleinen Kindern der einzige Mann weit und breit bin, daher konzentrieren sich die weiblichen Interessen fast automatisch auf mich. Die anderen Männer im Kollegium der MBB arbeiten alle in den höheren Gruppen.
Zudem bin ich ein freundlicher Typ, und denen passiert es leicht mal, dass Mädels im Praktikantenalter auf sie stehen. Ich kann das so sagen, schließlich hatte ich schon mal eine eigene Praktikantin. Die hieß Eefje und war selbstverständlich auch in mich verliebt. Aber wir hatten trotzdem eine schöne Zeit und ich konnte ihr viel über meinen Beruf vermitteln.
Valeries Praktikum wird noch bis zu den Osterferien gehen und hauptsächlich ist sie Wiebkes Cirkelen zugeteilt. (64)

Auch die Kinder freuen sich, dass ich wieder da bin. Sie haben ein Lied für mich eingeübt und tragen es gleich nach dem Stuhlkreis vor.
Ich bedanke mich bei den Sängern und Musikern und entlasse sie in die Spielzeit.
Bjarne will mit mir malen, Isabel lädt mich ein, ihr aus einem Buch vorzulesen, Kevin hat das Bild schon fertig und schenkt es mir und so verstreicht die Zeit wie im Nu und es gibt Frühstück. Erschöpft lasse ich mich auf einem Stuhl nieder.
„K. o.?“, fragt Grietje.
Ich nicke.
„Leg dich eine Viertelstunde hin“, rät sie.
„Ich weiß nicht, ob das so hilfreich ist. Wahrscheinlich schlaf ich sofort ein. Na ja, ich muss ja nur noch zwei Stunden aushalten, dann kann ich nach Hause. Das geht schon“, mache ich vor allem mir selber Mut. Ich wusste gar nicht mehr, wie anstrengend die Arbeit sein kann. Wie gut, dass ich mich einen Monat lang halbtags an mein übliches Pensum herantasten darf.
Nach dem Frühstück nehme ich meine gewohnten Tätigkeiten wieder auf. Mein erster Schüler ist die kleine Whitney. Sie hört schlecht und spricht daher undeutlich. Seit meinem Unfall hat sich eine andere Logopädin der Schule um sie gekümmert; die Fortschritte sind gut. Dann kommen nacheinander Hamit und Yussuf, die zwar beide in den Niederlanden geboren sind, ansonsten aber leider nicht viel mit ihrer Heimat zu tun haben. Zuhause wird nur türkisch bzw. arabisch gesprochen, das hilft nicht in unserem Schulsystem. Zum Schluss steht Freda auf meiner Liste, die aus einem westafrikanischen Land kommt, genauer habe ich das noch nicht erfahren können. Ihre Eltern sprechen nicht einmal englisch oder französisch. Sie sind aber auch erst ein halbes Jahr im Land; bestimmt fangen die Niederländisch-Kurse bald an zu wirken und die Verständigung wird einfacher.
Und dann ist endlich Mittag und ich kann nach Hause. Und mich in mein Bett verfrachten. Und schlafen.


siebenundvierzigstes Kapitel

Normalerweise bin ich keiner dieser Menschen, die sich durch tagelange Regenfälle aus der Ruhe bringen lassen; ich bemerke sie manchmal nur anhand der Tatsache, dass überall Pfützen auf in sie hineinspringende Kinder warten. Ich habe mir das Reinspringen allerdings abgewöhnt, Kind im Mann hin oder her. Es sieht einfach nicht gut aus, ich glaube, dafür bin ich zu groß.
Eines Mittwochs bemerke ich das Wetter aber sehr wohl, deswegen kann es kein normaler Tag sein. Mein linker Schuh hat nämlich ein Loch und so laufe ich den ganzen (Halb-)Tag mit nassem Socken und quietschender Sohle herum, was die Kinder natürlich sehr erheitert und die Kollegen zum Dichten eines Spottliedes animiert.
Als Cokko am späten Nachmittag endlich nach Hause kommt, klage ich ihm mein Leid. Er grinst und sagt etwas in der Richtung, dass er sich schon gewundert hat, wie lange die antiken Latschen wohl halten werden.
„Du sollst keine dummen Sprüche machen, sondern mich bedauern!“
„Bedauer, bedauer, bedauer“, macht er mit entsprechendem Gesichtsausdruck. „Reicht dir das? Du könntest dir ja einfach neue Schuhe zulegen, wo ist das Problem?“

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