4. Juli 2015

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Also stehe ich gegen neun oder halb zehn auf, frühstücke, krame ein bisschen in der Woh­nung rum und gehe dann aus dem Haus, um frische Luft zu schnuppern. (Ja, ich gehe, denn mein Hausarzt hat mir verboten, vor Mitte März mit dem Fahrrad zu fahren.) An der Schule komme ich nur selten vorbei, denn es frustriert mich, nicht mitmachen zu dürfen.
Meistens lande ich mittags bei Mommi, außer sie hat Termine, dann muss ich selber zusehen, woher ich mein Mittagessen bekomme. Wenn ich danach müde bin, gibt’s ein Nickerchen, danach einen Spaziergang oder ich gehe mal bei Pieter vorbei und gucke, was der so treibt. Irgendwann danach ist mit Cokko zu rechnen, wir essen und gehen dann bald ins Bett.
So unglaublich interessant und abwechslungsreich sind meine Tage.

An einem Abend in seiner zweiten Arbeitswoche ist er schon vor mir zuhause angekommen, und das offenbar nicht alleine. Als ich die Wohnung betrete, höre ich ihn in der Küche mit jemandem reden. Das ist mal wieder typisch. Genauso schnell, wie er Sprachen lernt, schließt er auch Kontakte. Wahrscheinlich ist das ein Arbeitskollege oder einer, den er im Bus getroffen hat oder vielleicht sogar sein Chef.
Zu meiner Überraschung hat er aber niemand Fremdes mitgebracht, sondern einen sehr gut Bekannten: Miloš.
„Na, dich hab ich ja lange nicht gesehen“, begrüße ich ihn. „Wie geht’s dir?“
Er macht eine wegwerfende Handbewegung, „So ganz lala.“
„Wie läuft’s mit der Arbeit?“ Wieder will er mich mit einer Handbewegung zufrieden stellen, aber ich bitte: „Na komm, sag schon.“
„Habe keine.“
„Oh. Schon länger?“
Er nickt.
„Und … Kontakte, Beziehungen, eine Bewerbung am Laufen?“
Er schüttelt den Kopf. „Nur Jobs für einen oder zwei Tage bei Yugos. Oder Absagen.“
„Scheiße. Das tut mir leid.“ Weil ihm das Thema nicht gefällt – kein Wunder! – rede ich von etwas anderem: „Hast du inzwischen eine neue Band?“
Erneut schüttelt er den Kopf. „Wie geht es dir?“
„So ganz lala“, wiederhole ich seine Analyse.
Er grinst. „Lala wie „schlimm“ oder lala wie „geht so“?“
„Lala wie „nervt volle Kanone“. Ich kann ja fast nichts alleine machen.“
Cokko hat vom Balkon einen der beiden Klappstühle geholt, aus dem Regal Geschirr und Besteck und alles auf dem Tisch und drumrum zurecht geschoben, sodass ich Platz finde.
„Da ist bestimmt noch von deinem Löwenzahnpesto im Tiefkühlfach“, sagt er. Das Wort Löwenzahnpesto mag er ganz besonders, weil es ihm total exotisch und auch ein bisschen grotesk vorkommt – testen will er es deswegen aber noch lange nicht. „Ich tau es dir auf.“
„Lass mal. So ein bisschen Ketschup bringt mich nicht um.“ Ich lasse mich nieder. Weil ich die Spaghetti mit einer Hand nicht aufdrehen kann und es ansonsten links und rechts des Tellers eine wilde Schweinerei wird, schneidet Cokko mir die Nudeln in löffelfreundliche Stücke.
Dann möchte ich wissen: „Woher kennt ihr euch?“
„Wir haben uns getroffen“, witzelt Cokko.
„Ach nee! Aber mal ehrlich, Zuyderkerk ist zwar klein genug, dass man sich über den Weg läuft, aber ihr habt euch doch nicht hier in der Küche getroffen?“
Miloš schluckt runter und erklärt: „Habe Cokko mit Oma in Supermarkt getroffen. Habe angesprochen und gefragt, ob er Bruder von dir ist.“
„Genau“, ergänzt Cokko. „Und dann hab ich meine ungefähr hundert mazedonischen Wörter ausgekramt und wir haben Bruderschaft getrunken. Mit dem Mineralwasser, das ich gerade gekauft hatte, weil wir keinen Streit kriegen wollten in dem Laden. Mommi war ja auch dabei, ich wollte nicht, dass es peinlich für sie wird.“

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