zweiundvierzigstes Kapitel
Zum Glück kommt kurz darauf das Mittagessen und mit ihm mein hilfreicher Bruder. Mein rechtes Handgelenk ist nämlich zu gar nichts zu gebrauchen. Ohne Belastung tut es weh, mit Belastung tut es noch mehr weh.
Allerdings habe ich vor lauter Angst keinen Appetit. Nach wenigen Löffelfüllungen wird mir sogar fast schlecht und ich drehe den Kopf weg.
„Soll ich dir was anderes holen? Schmeckt es dir nicht?“
„Lass mal.“
„Hast du keinen Hunger?“
„Nein.“
Schulterzuckend stellt er das Tablett beiseite.
„Cokko, ich muss telefonieren.“ Ich kann es nicht länger vor mir herschieben, die Ungewissheit macht mich wahnsinnig. Ich muss wissen, ob ich weiter an der Schule arbeiten darf!
Erstaunt schaut er mich an. „Dann mach das doch, wo ist das Problem?“
„Aber du musst wählen und den Hörer festhalten.“ Und bei mir bleiben …
„Na ja, das ist wirklich kein Problem.“ Er hebt ab und fragt: „Welche Nummer?“
Ich diktiere ihm die Zahlen und er stellt fest: „Ach, das ist doch die Schule. Aber nicht das Sekretariat.“ Dann hält er mir den Hörer ans Ohr und ich warte das erste Tuten ab. Viel Geduld habe ich jedoch nicht und gerade will ich sagen, dass keiner da ist, als in Zuyderkerk abgehoben wird. „Mol en Beltsnijder-Basisschool, Verstraeten am Apparat”, höre ich.
Wie soll ich es anfangen? Wie soll ich sie fragen, ohne gleich in Tränen auszubrechen?
„Hallo, ist da jemand?“, fragt Andjo in die entstandene Stille hinein.
Das lenkt mich kurzfristig ab. „Ja, hier ist Jeremy.“
„Hallo Jeremy! Wie schön, dass du anrufst. Was kann ich für dich tun?“, will sie wissen. Im Hintergrund höre ich einige andere Leute reden.
Ich hätte mir besser vorher überlegt, wie ich vorgehe, nun ist keine Zeit mehr dazu. Also falle ich mit der Tür ins Haus. „Andjo, werd ich entlassen?“
Jetzt herrscht am gegenseitigen Ende der Leitung einen Moment Stille. Dann sagt sie: „Warte mal eben, ich gehe in ein anderes Zimmer.“
Die Geräusche ebben ab und zwei Sekunden später fragt sie: „Wie kommst du darauf, dass du entlassen werden könntest?“
„Weil du gesagt hast, dass ich im nächsten Jahr besonders wenig krank sein soll, weil das doch die Schulleitung gesagt hatte und jetzt fehle ich einfach so!“
„Aber Jeremy! Jeremy“, sagt sie ganz liebevoll und ich fange an zu heulen. „Beruhige dich bitte. Das Attest vom Krankenhaus ist schon gestern eingetroffen und dein Bruder hat doch heute morgen hier angerufen und erzählt, wie das mit deinem Ellbogen passiert ist, dass du ein Baby gerettet hast und das alles. Nie würden sie dich ausgerechnet jetzt an die Luft setzen! Vergiss bitte, was ich dir im Herbst ausgerichtet habe. Oh Gott, Jeremy, das tut mir leid, dass du solche Angst hattest. Das war doch nur darauf bezogen, dass du keine Montagskrankheit kriegen solltest, du weißt schon, Sonntags feiern und Montags nicht zur Arbeit kommen können. Das Missverständnis tut mir wirklich leid. Versprich mir, dass du dich jetzt nur noch damit beschäftigst, wieder gesund zu werden, ja?“
Ich nicke, und weil mir einfällt, dass man das durchs Telefon nicht sehen kann, sage ich: „Ja. Mach ich.“
„Weißt du schon, wann du nach Hause kommst?“
„Nein. Ich darf noch nicht mal aufstehen. Vielleicht komm ich zum Wochenende aus dem Krankenhaus raus. Aber dann kann ich noch nicht einen ganzen Tag reisen.“
„Gut, dann rufe ich dich in zwei oder drei Tagen noch mal an. Bis dahin gute Besserung.“
„Danke“, sage ich bloß, weil ich nichts anderes im Kopf habe als Erleichterung.
„Ist zufällig dein Bruder in der Nähe?“
„Ja, der hält das Telefon fest. Warum fragst du?“
„Ich möchte auch noch kurz mit ihm reden. Dir sag ich schon mal auf Wiedersehen, ja?“
„Tschüss, Andjo.“ Bevor Cokko auflegt, informiere ich: „Sie will noch mit dir reden.“
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