„Nein. Was hat sie denn gesagt?“
Die sehr besorgte Miene weicht endlich seinem üblichen Grinsen. „Wenn ich das wüsste, würde ich jetzt nicht neugierig rumsitzen und dich fragen. Sie wollte allein mit dir sein.“
„Du sitzt also schon seit morgens hier rum?“
„Ja.“
„Was hast du die ganze Zeit gemacht?“
„Mit dir geredet, wenn du wach warst, dir Tee verabreicht, nach dem Pfleger gebimmelt, als du pinkeln musstest und solche Sachen.“
„Ich weiß nichts davon“, stelle ich beunruhigt fest.
Er klopft sich an die Stirn, „Aber ich weiß jetzt, was mich aufmerksam hätte machen sollen! Du hast alles nur so hingenommen. Keine Fragen gestellt. Na ja, wahrscheinlich warst du total bedröhnt von der Narkose und den Schmerzmitteln.“
Ich bin es immer noch. „Wie spät ist es jetzt?“
Er schaut auf seine Uhr, „Sechzehn vierunddreißig.“
„Welcher Tag?“
„Sonntag. Penn wieder ein.“
„Bleib bei mir und tu deine Hand auf meinem Kopf“, bitte ich.
„Nichts leichter als das“, sagt er und als Bonus summt er mir ein Liedchen, bis ich eingeschlafen bin.
Später berichtet Cokko mir den Unfallhergang. Mit der guten Nachricht fängt er an: Lioba hat die ganze Zeit geschlafen, ihr ist nichts passiert.
Für mich sieht es nicht so gut aus. Die ganz große Katastrophe ist über mich gekommen. Mein linker Ellbogen ist zum zweiten Mal gebrochen.
Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich nicht an den Sturz erinnern kann. Fast jedes Körperteil hat Prellungen davon getragen, das rechte Handgelenk ist überdehnt, beide Knie und das Gesicht sind aufgeschürft. Gut, dass gerade Winter ist und ich reichlich Kleidung an hatte.
Zum Abendessen darf ich zwischen Grießpudding und Butterbrot wählen und nehme den Pudding, weil man da nicht kauen muss. Cokko füttert mich, weil mein rechter Arm weh tut. Und das Gesicht kann ich nicht richtig bewegen, weil die Schürfwunde mit einer Maske luftdicht zugeklebt wurde. Das soll die Heilung beschleunigen und keine Narben hinterlassen. Wenn die Haut darunter wieder zugewachsen ist, soll sie von alleine abgehen. Wahrscheinlich sehe ich damit aus wie ein Zombie.
Kurz darauf kommt ein Pfleger und hilft mir, in die Flasche zu pinkeln und mich ein bisschen frisch zu machen, weil ich noch nicht aufstehen darf. Cokko hat angeboten, dass er das tun könnte, aber das will ich nicht.
Ich bin total fertig, aber schlafen kann ich nicht. Eine junge Krankenschwester lässt sich durch keins meiner Anliegen (das Gesicht juckt, es ist heiß unter der Maske, der Arm schmerzt, das Kissen ist falsch etc.) aus der Ruhe bringen. Irgendwann frage ich sie nach ihrem Namen. Sie zeigt lächelnd auf das Schildchen an ihrem Kittelrevers. Dazu sagt sie: „Sonneke Lemhuis. Wir haben uns bei Annos Party gesehen, erinnerst du dich?“
Ich komme zu keinem verwertbaren Ergebnis. „Nee“, gestehe ich. Ihr Name steht in roten Großbuchstaben auf hellblauem Grund, und das O ist gelb ausgemalt. Außerdem hat es einen Strahlenkranz wie eine richtige Sonne. Warum habe ich das Schildchen nicht eher gesehen?
„Aber meinen großen Bruder kennst du. Das ist nämlich der Boje“, erklärt sie. Dann knufft sie mein Kopfkissen locker und sagt: „Hier habe ich dir noch ein pflanzliches Beruhigungsmittel mitgebracht, damit kannst du leichter einschlafen.“ Sie gibt mir einen kleinen Plastikbecher, der bis zum zweiten Strich mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt ist. „Sonst verpasst du nämlich morgen die Visite von Dr. van der Sar, das ist unser Chefarzt.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen