„Das hab ich doch gerade gesagt. Sie hat das zu Ieuwkje gesagt, obwohl ich in der Nähe war. Sie hat mich zwar nicht gesehen, weil ich unter Deck war, aber das muss ihr doch klar sein, dass die Kaap Hoorn nicht schallisoliert ist.“
„Ganz schön nachtragend, dass du das nach einem Vierteljahr noch so genau weißt“, sagt mein Bruder und grinst mich an, „Scheint so, dass du in sie verknallt warst.“
Ich schnaube.
„So was nennt man verletzte Eitelkeit“, legt er nach und grinst dabei noch mehr.
„Lass mich bloß in Ruhe“, grummele ich und stehe auf. Das kann ich gebrauchen, dass mich mein oberschlauer Bruder analysiert! Ich bin kaum aus der Tür, als er mir nachruft: „Jeremy, stell dich nicht an und komm wieder her. War doch nur ein Scherz!“
Weil ich nicht weiß, was ich ansonsten tun soll, gehe ich also zurück in die Küche.
Irgendwie bringen wir den Tag hinter uns und am nächsten, dem dritten des neuen Jahres, sieht alles schon wieder viel besser aus.
Gegen zwei Uhr Mittags schließen wir uns Ieuwkje an, die nach West radelt, wo Cora und die übrigen Westerdorper schon auf uns warten. Gemeinsam bummeln wir dann durch die Marina und die Dünen und über den Vaarder – zumindest über ein kleines Stück davon. Um ihn ganz zu umrunden, sollte besseres Wetter sein.
Zu meinem Erstaunen ist auch Elias mit von der Partie, und wer Augen im Kopf hat, weiß schnell, wieso: er gräbt an Cora rum. Das erstaunt mich ehrlich gesagt noch mehr, denn sie passt eigentlich gar nicht zu dem, was ich von Elias’ Traumfrauenschema mitbekommen habe. Bisher habe ich ihn für einen einigermaßen oberflächlichen, erfolgsverwöhnten Typen gehalten, der auch einem One-Night-Stand nicht abgeneigt ist, um sich (oder seinen Kumpels) zu beweisen, dass er ein toller Hecht ist. So gesehen ist es wirklich verwunderlich, dass er sich plötzlich so um Cora kümmert, für die fast nur ihr Baby existiert. Na ja, vielleicht habe ich mich in ihm getäuscht. Ich kenne ihn ja nicht besonders gut.
Cokko und Anno gehen etwas abseits und unterhalten sich, das heißt, mein Bruder stellt Fragen und Anno erklärt wortreich. Ich geselle mich zu ihnen, weil der Dünenweg schon fast von Elias’ Süßholzgeraspel bedeckt ist und ich auch nicht mit Ieuwkje und Alison über Schuhe, Frisuren und ähnlichen Frauenkram reden möchte.
„Worum geht’s bei euch?“, erkundige ich mich.
„Dein Bruder will bis in die siebte Sohle wissen, was ich studiere. Und wie der Studiengang „Küsteningenieurwesen Fachrichtung Hochwasserschutz“ aussieht, was man fachbegleitend noch alles studieren kann und so weiter.“
„Genau“, stimmt Cokko zu, „Vielleicht studiere ich das dann nämlich auch.“
„Mhmm, das klingt gut“, mache ich begeistert. „Wenn ich die Wahl hätte, mir von den Anwesenden einen Beruf für dich auszusuchen, würde ich auch den – wie war das? – Hochwasseringenieur nehmen“, fasse ich den Namen des Studiengangs großzügig zusammen.
Anno lässt das nicht gelten. „Küsteningenieurwesen Fachrichtung Hochwasserschutz“, korrigiert er mich, um dann zu fragen: „Und was würdest du Cokko auf keinen Fall raten?“
„Polizist zu werden. Insofern ist es gut, dass Elias mit anderen Sachen beschäftigt ist, besser gesagt mit anderen Personen. Er wird das nicht so sehen, aber ich finde den Beruf gefährlich. Küsteningenieure sind nicht ständig an brenzligen Brennpunkten unterwegs.“
„Brenzlige Brennpunkte!“, mein Bruder kichert.
„Und überhaupt unterschätzt du den Nervenkitzel meines zukünftigen Berufes. Wenn du mitten im steigenden Wasser stehst, weil eine Pumpe ausgefallen ist, kann es ganz schön brenzlig sein, auch wenn da bestimmt nichts brennt“, wendet Anno ein.
„Apropos Nervenkitzel“, sagt Cokko zu mir, „so furchtbar aufregend ist dein Arbeitstag doch auch nicht, oder? Ich stelle mir das ziemlich gemütlich vor, den ganzen Tag mit Kindern spielen. Eigentlich passt das ganz gut zu dir.“
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