4. Juli 2015

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„Aber dann sieht man doch gar nichts davon?“, wundert er sich.
„Eben. Deswegen sind meine Winter-T-Shirts eher schwarz oder dunkel und ohne Aufdruck, und im Sommer hab ich bunte. Weil ich im Sommer keinen Pullover drüber trage.“
Cokko nickt, als könne er mich jetzt besser verstehen. „Und, gehen wir so?“
Ich zucke wieder mal mit den Schultern. „Weiß nicht. Ich muss mich erst mal dran gewöhnen, dass ich wie Kanada rumlaufe.“ Da fällt mir ein Schriftzug auf, dessen Buchstaben im Halbkreis unter dem Ahornblatt angeordnet sind. „A mari usque ad mare“, lese ich mühsam im Spiegel. „Was heißt das?“ Das wird Latein sein, soviel ist mir klar, aber mehr nicht.
„Ha!“, macht Cokko triumphierend. „Darauf hab ich gewartet. Ich hab mich nämlich extra vorbereitet, damit du nicht denkst, ich hätte keine Ahnung von Geschichte und so Sachen.“
„Moment mal“, unterbreche ich, „wann hab ich denn gesagt, dass du keine Ahnung von Geschichte hast?“
„Gesagt hast du es nicht, aber als ich im Herbst das wegen der Monarchie gefragt hab und so, da kam ich mir schon ziemlich dumm vor. Also, das ist der Wahlspruch unter dem Wappen von Kanada und heißt „Von Meer zu Meer“. Das bezieht sich auf Kanadas geografische Lage zwischen Atlantik und Pazifik.“
„Wow, schlauer Bruder. Ich bin beeindruckt“, lache ich. Ich bin nicht nur beeindruckt, sondern ich habe auch eine gehörige Portion Nationalstolz aus seiner kurzen Ausführung heraus gehört. Daher beschließe ich, mich auf das Projekt „Partnerlook“ einzulassen. Bei der nächsten Fete können wir dann ja in zwei meiner orangenen T-Shirts aufkreuzen.

Auf einmal ist es kurz nach zehn, und wir machen uns gut gelaunt auf den Weg nach Westerdorp. Weil wir nicht auf den nächsten Bus warten wollen (der kommt so spät abends nämlich nur noch stündlich, und das wird erst um kurz vor elf wieder der Fall sein), fahren wir mit den Fahrrädern. Das ist zwar eine ziemlich kalte Angelegenheit, aber Cokko hat gesagt, dass wir sowieso ziemlich coole Typen sind, daher kann uns das Wetter nichts anhaben.
Er muss es ja wissen.

Als die Fete gegen elf gerade im Anrollen ist, geht die Tür auf und mit großem Hallo kommt Elias herein. Er trägt zwar noch seine Polizeiuniform, aber er hat fast alle verfügbaren Knöpfe auf und die Mütze ziemlich frech über ein Ohr gezogen. Zu meinem Erstaunen wird er von Cora begleitet. Ob sie ihr Baby ganz alleine gelassen hat?
Marc hat Elias offenbar noch nie in Begleitung Coras gesehen, denn er ruft: „Hey, Elias! Wer ist diese Lady? Kennt ihr euch schon länger?“
„Klar. Sie wollte eines Tages von mir wissen, ob hier vielleicht eine geheime Kommandozentrale des Ministeriums für Innere Sicherheit ist, weil ich als Cop immerzu rein und raus gehe“, erklärt er und lacht schallend über seinen eigenen Witz.
Cora winkt ab und korrigiert ihn: „Alles Unfug. Ich wohne seit Jahren bis auf wenige Ausnahmen in der Pension nebenan. Irgendwann bin ich auf ihn aufmerksam geworden, das heißt, auf seine Dienstkleidung und wir haben uns mal unterhalten. Ich wollte wissen, was da im Haus los ist, dass ständig die Polizei ein und aus geht.“
„Soll ich mich erst umziehen, Süße?“, bietet er an, „Das dauert nicht lange, ich wohne ja gleich hier drüber. Außer, du kommst mit, dann könnte es schon etwas länger dauern.“
„Danke“, winkt Cora ab, „nicht nötig. Die Sachen stehen dir ziemlich gut.“ Sie hakt sich bei ihm unter und zusammen ziehen sie in Richtung Tanzfläche ab.
Mit einer Spur Ärger denke ich darüber nach, dass Elias sich auch ganz schön kindisch anstellen kann, wenn man ihn lässt, und das scheint Cora überhaupt nicht zu stören. Na ja, Hauptsache, ein Kerl trägt Uniform und hat ‘ne Waffe dabei.
Da fliegen die Frauen drauf.

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