4. Juli 2015

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„Das heißt bloß, dass ich Ketschup mag. Und falls du noch ein Vorurteil über Kanadier brauchst, nimm das: Wir schütten auf alles Ahornsirup. Gibt’s hier Ahornsirup?“
„Wie soll ich das wissen? Im Oktober gab es jedenfalls keins. Überlebst du das?“
„Hm“, denkt Cokko laut nach, „Was tust du denn auf Pfannkuchen?“
„Ich hab sie bis jetzt mit Käse, Salat, Fisch, Marmelade, Apfelmus oder Nougatcreme gegessen“, zähle ich auf, und da ich drüber nachdenke, fallen mir noch viele gute Variationen ein: „Und mit Pesto, Avocado und Zwiebel, mit Crème fraîche, mit Zimt und Zucker, Orangenscheiben, Honigmelone, Äpfeln, mit gekochtem Ei, Zwiebeln, Oliven, Tomaten, mit Salz oder ganz ohne. War alles ziemlich lecker. Aber mit Ketschup noch nie.“
„Logo“, sagt Cokko und lacht, „du hattest zuhause ja auch keins.“
„Nein“, gebe ich zu und lache auch. „Aber ich hätte mir welches kaufen können, hätte ich es gebraucht.“ Selbst Pieter hat den Missstand meiner Küche überlebt. Erst für Cokko habe ich mir eine Flasche Ketschup ins Haus geholt, ohne Konservierungsmittel zubereitet und mit glücklichen Tomaten aus kontrolliert biologischem Anbau. Und, was hat er gesagt? Es schmecke langweilig. Die Sorten zuhause seien besser. Das hat man nun davon! Beim nächsten Mal muss er sich die rote Soße selber kaufen, wenn er sie unbedingt braucht.
Ich bringe die ersten zwei Pfannkuchen auf den Tisch und stelle Teller und Bestecke dazu. Dann hole ich alle Marmeladengläser, die ich in Tante Os Küchenschrank finden kann, Nougatcreme und Honig auch, denn heute bin ich süß.
Kurz überlege ich, ob ich Alisons Anwesenheit zum Anlass nehmen soll, mich manierlich zu benehmen. Ich entscheide mich dagegen. Nachdem ich meinen Pfannkuchen mit Tante Os bester Rhabarbermarmelade verziert habe, lege ich das Messer beiseite, rolle das Kunstwerk zusammen und esse es dann einfach so auf. Meine Finger werden so zwar ziemlich klebrig, aber die kann ich schließlich wieder abwaschen.
Cokko guckt mir kritisch zu und Alisons Blick kann ich kaum beschreiben.
Obwohl sie gerade noch von ungesunden Dingen gesprochen hat (nämlich angeblich zuviel vorhandenem Fett in meinen guten Pfannkuchen), zieht sie eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Handtasche, nimmt eine und bietet Cokko ebenfalls eine an, doch der lehnt ab.
„Ich hab aufgehört mit rauchen“, sagt er.
Stimmt, das war mir bisher gar nicht aufgefallen. Als er im Herbst hier gewesen ist, hat er noch geraucht. Ich finde das toll, denn so haben wir noch eine Gemeinsamkeit mehr. Es ist lästig, wenn einer mitten im Gespräch auf den Balkon gehen muss, um seiner Sucht zu frönen – denn natürlich herrscht in meiner Wohnung genau wie auf der Kaap Hoorn Rauchverbot.
„Warum hast du aufgehört?“, fragt Alison und zündet sich ihre Zigarette an.
„Ich hatte keine Lust mehr.“ Cokko zuckt die Schultern. „Außerdem raucht mein Bruder auch nicht, das wäre ja voll doof gewesen.“
„Hat er dich gezwungen?“, fragt sie, als sei ich gar nicht im Raum.
Ich lasse mich nicht so einfach ignorieren und gebe die Frage an Cokkos Stelle an sie zurück: „Glaubst du, dass ich ihn zu irgendwas zwingen kann? Mal ganz davon abgesehen ist das auch nicht meine Art; ich zwinge nichts zu niemandem.“
Cokko kichert. „Niemanden zu nichts, meinst du wohl.“
Jetzt hat sie mich wiederentdeckt. „Na ja, immerhin bist du der große Bruder. Und es ist deine Wohnung, in der ihr wohnen werdet.“
„Na und?“, mache ich, und Cokko schließt sich mir an: „Jeremy hat damit überhaupt nichts zu tun. Ich hatte einfach keinen Bock mehr aufs Rauchen, deswegen hab ich’s aufgehört.“

Als ich mich aber erneut an den Herd begebe, um den Nachschub zu organisieren, höre ich hinter mir, dass Besteck gereicht, Teller verschoben und Gläser geöffnet werden.
Alison bleibt dabei, Pfannkuchen seien zu fett, aber Cokko beteiligt sich beim Essen. Anscheinend findet sie, dass auch Zugucken zu fett sei, denn nach einer Weile steht sie vom Tisch auf und verlässt die Küche.

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