„Alberne Zicke“, sagt er und geht nach nebenan ins Wohnzimmer. Er schaltet den Fernseher an, zappt sich durch alle Programme, und als ich ihm gefolgt bin, bekomme ich gerade noch die letzten drei mit. „Sag doch wenigstens alberner Sack zu mir“, bitte ich ihn.
„Geht klar, Opa“ Er knipst den Fernseher wieder aus. „Und, was machen wir heute?“
„Weiß nicht. Wir könnten Ieuwkje besuchen und ihr beim Arbeiten zugucken“, bringe ich meinen bisher längsten zusammenhängenden Satz zustande.
„Dann findet sie, dass wir mitarbeiten könnten. Super.“
„Ach, du bist ja doof. Denk dir halt was besseres aus“, sage ich und gehe aus dem Raum. Ich habe kaum die ersten Treppenstufen bewältigt, als Cokko in den Flur kommt und sagt: „Du bist selber auch doof.“
Ich bin derart unmotiviert, dass ich nicht mal Lust habe, einen kleinen Streit mit meinem Bruder anzufangen. Angeblich streiten Geschwister gerne. Das habe ich jedenfalls gehört, und was das kleine ABC (vor allem Ad und Bas) angeht, stimmt es auch. Aber vielleicht trifft es für Halbgeschwister nicht zu. Es ist mir zu anstrengend, darüber nachzudenken, und ich schlappe herauf in die erste Etage. Dort lasse ich mich auf der Klappliege nieder.
Cokko und ich haben wieder mein übliches Zimmer nach vorne raus bekommen. Da wir zwei Leute sind, könnten wir auch ein Doppelzimmer haben, hat Ieuwkje gesagt, außer jetzt. Das einzige Zimmer in Tante Os Haus, das noch Betten und alle für ein Gästezimmer wichtigen Dinge hat, ist zurzeit belegt von einem Ehepaar in den mittleren Jahren, das nicht zur Stammkundschaft gehört, aber einkehren durfte, weil die beiden sonst nirgendwo mehr ein Zimmer gefunden haben. (56) Also hat Ieuwkje die Klappliege in das kleine Zimmer gestellt.
vierzigstes Kapitel
Als ich aufwache, ist schon Nachmittag. Ich habe Hunger, was ich als gutes Zeichen werte.
Zum gedanklichen Warm-Up setze ich Teewasser auf. Dann lasse ich mich vom Angebot im Kühlschrank inspirieren. Ich betrachte die sieben braunen Eier, die im Türfach vor sich hin eiern, und schon kommt mir eine gute Idee: Ich mache Pfannkuchen!
Ich habe nämlich seit einigen Jahren den „Schwarzen Pfannenstiel“ im Pfannkuchenbacken, das ist eine sehr hohe Auszeichnung. Ich glaube, das war der einzige Moment überhaupt, an dem Pieter, Helena und Kristien einer Meinung waren.
Mehl, Eier und Milch sind zügig in einer Schüssel vermengt, während die Butter in der gusseisernen Pfanne auf dem Gasherd die richtige Temperatur erreicht. Munter trällere ich ein Liedchen, als ich den einseitig gebackenen Pfannkuchen mit einem gekonnten Schwung wende (und wieder auffange, das ist es im Eigentlichen, was ich unter gekonnt verstehe).
Die Küchentür geht auf, und Cokko pflaumt: „Na, Mister Null Bock, was treibst du?“
Hinter ihm schiebt sich noch jemand an den Türspalt und fragt: „Was macht er?“
Aha, denke ich, während ich geschlafen habe, hat Cokko Frauenbesuch bekommen. Seine Nachmittagsbeschäftigung war vielleicht unterhaltsamer, aber meine war erholsamer. „Ich backe Pfannkuchen“, tue ich den beiden kund. „Wollt ihr vielleicht auch welche?“
„Nein, danke. Pfannkuchen sind zu fett“, sagt die Frau hinter Cokko.
Das lasse ich mir ungern sagen. „Meine Pfannkuchen sind nicht fett, sondern gut“, erwidere ich mit dem Stolz eines Trägers des „Schwarzen Pfannenstiels“. Ich weiß immer noch nicht, wer das ist, obwohl mir ihre Stimme bekannt vorkommt.
Jetzt kommt Cokko in die Küche und die Frau hinter ihm auch. Es ist Alison. Sie setzen sich auf die Eckbank hinter den Tisch.
„Kann man die Dinger mit Ketschup essen?“, will mein Bruder wissen.
„Typisch Amerikaner“, sage ich und seufze theatralisch, „Was esst ihr da drüben eigentlich nicht mit Ketschup?“
Cokko stemmt die Arme in die Seiten. „Darf ich mal kurz darauf hinweisen, dass ich kein Amerikaner bin, sondern Kanadier? Der Kontinent, auf dem ich gelebt habe, heißt zwar Amerika, aber das heißt gar nichts, du Europäer!“
„Und was heißt es dann, dass du auf alles Ketschup schüttest?“, erkundige ich mich bemüht ernst. Alison rollt mit den Augen, aber ich finde unsere Diskussion lustig.
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