Mitten im Halteverbot vor dem Wellenbad sitzt Elias in seinem knallroten Pick-Up und trommelt ungeduldig auf dem Lenkrad herum. Als er uns sieht, lässt er das Fenster herunter. „Mann, Alter“, raunzt er genervt seinen Bruder an, „Endlich! Papa sucht dich. Er wartet schon eine Stunde. Wieso hast du Depp dein Handy nicht dabei?“
„Nimmst du Depp dein Handy auch mit ins Wasser?“, raunzt Anno als Gegenfrage.
„Und wieso hörst du nicht mal auf die Durchsagen? Ich hab dich mindestens dreimal ausrufen lassen!“
Anno hat sichtlich wenig Lust, sich weiter so behandeln zu lassen. „Hast du Durchsagen gehört?“, fragt er mich, als sei meine Erinnerung entscheidend.
„Nein. Kann sein, dass wir da gerade im Außenbecken waren.“ Weil ich mir die Stimmung nicht von diesem Brüder-Geraunze versauen lassen will, wende ich mich nun an Elias: „Wir haben eben noch über dich gelästert.“
Tatsächlich lenkt ihn das ab. „Ach ja? Worum ging es?“
„Um deine Polit-Karriere. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du demnächst mit einer Horde Journalisten durchs Watt ziehen und selbstgegrabene Bodenproben präsentieren wirst, die darauf hinweisen, dass die Wasserqualität unter schädlichen Umwelteinflüssen leidet.“
„Vor allem hat er gesagt, dass er eher mich wählen würde als dich“, sagt Anno.
„Tja, Jeremy, da hast du aber Pech, denn mein kleiner Klugscheißerbruder ist gar nicht in der Politik“, gibt Elias zurück.
Ich sage mal lieber nichts mehr dazu, sonst finden diese Unfreundlichkeiten gar kein Ende.
Die anderen haben nicht über die Politik geredet und Ieuwkje eröffnet Elias, Anno und mir jetzt: „Also, wir haben uns das so gedacht: Wir wollten alle nach Dersum fahren und ich zeige euch meine Fotos aus Argentinien. Bis der Beamer und das alles aufgebaut ist, bist du sicher bei Henk fertig, dann kommst du einfach nach“, empfiehlt sie ihrem Freund und wendet sich an dessen Bruder: „Willst du auch zugucken, Elias?“
Er zuckt mit den Schultern. „Kann aber sein, dass ich nicht bis zum Ende dableibe. Erwarte noch nen Anruf.“ Er lässt seinen Bruder einsteigen und gibt mächtig Gas beim Wegfahren.
Wir Restlichen quetschen uns zu Boje in den Wagen. Insofern gut, dass Elias gekommen ist, denn verkehrsregelkonform hätten wir sechs nicht in das eine Auto gepasst. Elias darf zwar so lange im Halteverbot herumstehen wie es ihm gefällt, selbst in seinem Auto, das nicht nur farblich ganz schön auffällig ist, aber das heißt nicht, dass auf der Insel alles erlaubt ist. Wenn sich so viele Leute hier tummeln wie jetzt, sind die Polizisten ziemlich wachsam.
Während der Fahrt lädt Alison Cokko und mich ein, heute Abend zusammen mit ihnen ins „Copacabana“ zu gehen, um das neue Jahr zu begrüßen. Außerdem ist für Mitternacht ein Feuerwerk rund um den Leuchtturm in Westerdorp geplant, und Boje verspricht, uns großzügig mit Knallfröschen zu versorgen, die er kistenweise irgendwo abgestaubt hat.
Durch den plötzlichen Bevölkerungsanstieg im Wohnzimmer lässt Tante O sich dazu hinreißen, zwei Bleche ihrer unvergleichlichen Pizza zu backen und uns ihren Vorrat an eingefrorenem Kuchen zu überlassen.
Ieuwkjes Bilder sind toll.
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