4. Juli 2015

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„Onkel Henk?“, fragt Alison erstaunt. „Der ist doch schon voll alt!“
Anno schüttelt den Kopf, „Nicht Papa. Den Stress will er sich nicht antun, hat er gesagt. Nein, Elias ist in die Politik gegangen. Er vertritt die Umweltpartei.“
„Elias und Umweltpartei?“, prustet Ieuwkje heraus. „Da passt er ja überhaupt nicht rein! Ich hätte ihn eher in die liberal-konservative Ecke gesteckt.“
„Na ja, unter uns gesagt … Papa hat den Verdacht, dass er sich die Partei mit den größten Aufstiegschancen ausgesucht hat. Aber das muss er selber wissen. Vielleicht wird er ja nicht ernannt, dann kann er sich das noch mal genau überlegen.“
„Wenn ich der koninglijke Commissaris wäre, würde ich aber eher dich ernennen, egal bei welcher Partei du bist“, sage ich.
„Danke für das Vertrauen“, lächelt er, „Aber ich fühl mich noch ein bisschen zu jung. Und was hätte ich den Dersummeroogern schon zu bieten? Ich bin ja noch nicht mal mit meinem Studium fertig.“
„Was studierst du denn?“, will Cokko wissen.
„Wasserwirtschaft im Fernstudium. Daneben arbeite ich in der Pension meiner Eltern und im Hafenamt bei Onkel Huub.“
„Was gibt’s in einem Hafenamt zu tun?“, fragt er als nächstes.
Anno lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Du kannst meine Arbeit vergleichen mit der eines Parkplatzwächters. Jede Menge Leute möchten die Insel besuchen und viele kommen dazu mit ihrem eigenen Schiff oder einem, das sie gemietet haben. Damit der Hafen das verkraftet, dürfen die Leute nur maximal drei Tage bei uns anlegen. Ich erinnere sie am Vorabend daran und wenn sie am nächsten Nachmittag immer noch da sind, kriegen sie ein Knöllchen von mir.“
„Ach“, macht mein Bruder jetzt, „Aber was ist mit Jeremy? Als wir im Herbst hier waren, war sein Schiff viel länger als drei Tage im Hafen.“
„Echt?“, tut Anno ahnungslos, „Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich werde mal mit Onkel Huub reden … aber wahrscheinlich war es ein Versehen. Oder war es außerhalb der Hauptsaison?“, wendet er sich jetzt an mich.
Sofern ich sein Zwinkern richtig deute, ist Tante Os Pflaumenkuchen-Deal eher Bestechung als eine korrekte Währung, daher ist es besser, wenn nicht allzu viele Leute davon erfahren. „Kann auch sein, dass die Kaap Hoorn einfach übersehen worden ist. Ich hatte nah am Oldtimerpier festgemacht“, stelle ich eine künstliche Vermutung an.
„Ja, das kann wirklich sein“, hakt Ieuwkje das Thema ab, „Dein Onkel Huub kriegt ja sonst alles mit, was im Hafen passiert.“ Sie weiß von dem Kuchenhandel (55) und findet offenbar, dass jetzt genug drum herum geredet worden ist.
Mein Bruder hat noch eine Frage auf Lager. „Du hast gesagt, dass du Wasserwirtschaft studierst. Von so einem Studiengang hab ich noch nie gehört. Was macht ein Wasserwirt? So was wie ein Landwirt, aber im Wasser?“
Das ist eine lustige Vorstellung. Melkt der Wasserwirt Seekühe? Mästet er Meerschweine? Vielleicht hat er aber auch ein paar Seepferde, die er an Touristen vermietet, die einen Untersee-Ausritt machen wollen. Und wenn er nichts mit Tieren zu tun hat, züchtet er bestimmt Seegurken im Gewächshaus. Oder er hat ein Seegewerk.
Ieuwkje hingegen ist nicht sonderlich erbaut über die Frage und ächzt hörbar. „Könnt ihr darüber bitte reden, wenn ich nicht dabei bin?“, fordert sie.
Anno tut ihr den Gefallen. „Cornelius, erinnere mich morgen oder so mal dran, dann erklär ich dir das in allen Einzelheiten, ohne dass Ieuwkje sich aufregen muss. Weißt du, ich rede sehr gerne über mein Studium, denn ich bin leidenschaftlich dabei.“ Diszipliniert kommt er dem Wunsch seiner Freundin nach und sagt: „Aber lass uns jetzt über etwas anderes reden.“

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