4. Juli 2015

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Weil er nur dort steht und guckt, anstatt reinzukommen, frage ich ihn: „Was ist los?“
„Die Zeitverschiebung ist los, das übliche. Außerdem hab ich geträumt, dass wir zu deiner Insel unterwegs wären. Sind wir aber nicht. Du hast doch gesagt, dass man länger als einen halben Tag braucht?“
„Das stimmt.“ Ich lächle meinen zerzausten Bruder an. „Ich dachte, es wäre vielleicht angenehm für dich, hier einen Tag Zwischenstopp zu machen. Tante O erwartet uns morgen mit der letzten Fähre.“
„Du denkst echt nette Sachen“, findet Cokko.

Nach dem reichhaltigen Mittagessen verabschiedet Pieter sich, weil er noch was zu tun hat. Er sagt nicht, was das genau ist, daher schließe ich, dass er uns alleine lassen will. Lieb von ihm. Ich biete meinem Bruder an, ihm die Stadt zu zeigen, und der sagt zu.
Vorhin hat Pieter eins seiner reparierten Fahrräder für Cokko mitgebracht. So müssen wir nicht beide auf meinem fahren.
Bei der ausführlichen Tour kreuz und quer durch Zuyderkerk versuche ich, möglichst durch jede Gasse zu fahren, damit Cokko alles schon mal aus verschiedenen Richtungen gesehen hat und sich in Zukunft nicht in meinem Lieblingsgassengewimmel verfährt. Zum Schluss landen wir bei Mommi, die erwartungsgemäß entzückt ist über den Familienzuwachs und uns beide zu Kaffee und Kuchen einlädt.
Auf dem Heimweg befrage ich Cokko zu seiner Meinung über seine neue Oma. Er findet sie süß und stimmt zu, sie demnächst öfter zu besuchen. Vor allem findet er süß, dass sie mich „Jimmi“ nennt und nimmt sich prompt die Freiheit heraus, das auch zu tun. Ich untersage ihm das, denn es ist Mommis Name für mich, und er möchte immerhin wissen, wie es zu dem Namen gekommen ist. Ich verspreche, ihm die Geschichte zu erzählen, wenn er im Gegenzug verspricht, mich nicht mehr so zu nennen. Cokko willigt ein und ich erkläre ihm, dass „Jimmi“ entstanden ist, weil ich meinen Namen zuerst durcheinander gewürfelt habe, als ich angefangen habe zu reden. Angeblich hab ich mich „Jimiry“ genannt, aber da wird einem ja viel erzählt. Als ich dann immer größer wurde, hat Popp „Jemmer“ zu mir gesagt, weil er fand, dass ich für den Jimmi schon zu groß wäre. Mommi fand das aber zu rau für mich, sie sagte, ich sei ihr lieber kleiner Jimmi, und da könnte ich so viel wachsen, wie ich wollte. Also heiße ich immer noch Jimmi, aber eben nur für Mommi.


siebenunddreißigstes Kapitel

Zur Flotte der „Frieso-Line“ gehören hauptsächlich Personen- und Frachtverkehrsschiffe in verschiedenen Größen, aber auch ein paar Katamarane. Die Auswahl ist ganz auf die Kunden­wünsche zugeschnitten.
Wer ohne sein Auto zwischen den westfriesischen Inseln und dem Festland verkehren möchte und es auch ein bisschen eilig hat, nimmt den Katamaran.
Wer dagegen ein bisschen mehr Zeit hat und etwas weniger Geld in die Überfahrt investie­ren möchte, wählt die Fähre. Die Fährschiffe haben zudem den Vorteil, dass sie bis Windstärke neun fahren. Die Katamarane bleiben schon bei sieben Beaufort im Hafen.
Die „Brabant“ ist die kleinste und älteste Autofähre der Schifffahrtsgesellschaft, dennoch sie ist um ein Vielfaches größer als die Kaap Hoorn.

Gut versorgt mit fast allem, was die moderne Medizin gegen Seekrankheit anzubieten hat und im Angesicht des gemütlich wirkenden Schiffes sieht Cokko der Überfahrt gelassen entge­gen. Er will als erster auf das Schiff drängeln, aber ich weiß, dass es nicht fünf Minuten hält, sondern eine halbe Stunde samt Autoverladen, Post und den ganzen anderen Dienstleis­tungen, welche die „Frieso-Line“ bietet. Deswegen haben wir noch genug Zeit, die ganzen anderen Eiligen vor zu lassen.

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