Um meine Mommi zu beeindrucken, habe ich heute, am Morgen des 24. Dezembers, also mitten im Winter, die Fenster geputzt. Sie sieht nicht mehr besonders gut, aber als ordentliche niederländische Hausfrau sieht sie ganz bestimmt Dreck auf den Scheiben. Des weiteren habe ich den Werkstattboden gewischt. Sonst fege ich da nur mehr oder minder (eher minder) gründlich durch, weil ja sowieso wieder neue Sägespäne kommen. Außerdem glänzt und blitzt meine Küche, als wäre sie brand-nigel-nagel-neu.
Ich hoffe bloß, dass sie die Schränke nicht öffnet. Der restaurierte Schrank im Schlafzimmer würde wie eine Fontäne seinen Inhalt von sich geben, und der Wandschrank in der Werkstatt … oje, ich wage gar nicht daran zu denken. Zum Glück kennt sie mich schon sehr lange, es sind 27 Jahre und überübermorgen genau drei Monate.
Mommi war nämlich bei meiner Geburt dabei, weil mein unbeschreiblicher Vater Angst vor dem vielen Blut hatte, das bei Geburten angeblich fließt. (53) Weil Gerrit sich außerstande sah, Lucy in seiner desolaten Verfassung beizustehen, hat er, heldenhaft wie er war, seine Mutter vorgeschickt. Ich weiß nicht, ob Mommi sich gefreut hat, dermaßen zwischen alle Fronten zu geraten; Popp mochte Lucy bekanntermaßen nicht und war wegen der Hochzeit zwei Wochen zuvor böse auf Gerrit. Lucy mochte Popp auch nicht besonders, und sie haben sich nie allzu viel Mühe gegeben, ihre Abneigungen zu verbergen – zumindest soweit ich es bisher mitbekommen habe. Kann sein, dass es auch ganz anders war, schließlich weiß ich ja jetzt, dass einiges anders gelaufen ist als ich es bis vor kurzem noch glaubte.
Jedenfalls sind Mommi und ich auf dem ältesten von mir existierenden Foto zu sehen. Ich bin krebsrot und allem Anschein nach ärgerlich über das helle Licht im Kreißsaal, denn ich kneife die Augen fest zu, und sie schaut überaus glücklich.
Ich bin sicher, dass Mommi mich trotzdem mögen wird, auch wenn meine Schränke ungeahnte Geheimnisse verbergen.
Anstatt auf der Suche nach übersehenen Staubflocken in die Winkel zu kriechen, ist meine gute alte Mommi völlig von den Socken, weil alles so sauber ist. Scherzend entschuldigt sie sich für ihr Eindringen und sagt, dass sie sich in der Tür geirrt hat und in der falschen Wohnung ist. Ernsthafter bedrängt sie mich dann, ihr nicht zu verschweigen, dass ich endlich wieder eine Freundin habe, die meine Bleibe so vorbildlich auf Hochglanz gebracht hat. Ich mache ihr klar, dass es nichts zu beichten gibt und dass sie hier außerdem ganz richtig ist.
Wir sitzen in meiner Küche an dem winzigen Tisch und lassen uns das gute Essen schmecken. Dann machen wir einen Verdauungsspaziergang, und mit einer Freundin von Mommi besuchen wir die Christmette.
Vielleicht bin ich wirklich ein bisschen altmodisch, aber für mich gehört die Versammlung in der Christmette zum Heiligen Abend dazu. Es ist schließlich Jesus’ Geburtstag; bei meinem möchte ich ja auch alle Leute vereint sehen, die mir etwas bedeuten.
sechsunddreißigstes Kapitel
Es ist windig, man könnte schon sagen, stürmisch, und seit es gestern aufgehört hat zu schneien, regnet es in einem durch. Da sich mein Innenleben davon hat überzeugen lassen, dass ich keinen hinterlistigen Angriff geplant habe, bin ich unbeschadet am Flughafen angekommen. Außerdem weiß ich Pieter an meiner Seite, der wird sich im Zweifelsfall meiner annehmen, falls mein Innenleben seinem Bedürfnis nach allgemeinem Aufsehen nachgeben sollte. Ich bin so aufgeregt, dass mir beinahe schlecht ist. Ob das Flugzeug wohl landen kann? Oder stürmt es zu stark?
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