Du schleichst seit fast einem halben Jahr um dieses Thema herum. Da dachte ich, ich helfe mal ein bisschen nach.
Und … was hältst du von der Erdbeersahne-Sache? Was denkst du darüber, dass ich auch nach fast einem halben Jahr immer noch keine Lust habe, in deiner Heiligen Schrift zu lesen? Dass ich, wenn ich sie doch mal aufschlage, nichts kapiere? Und dass ich mittlerweile gar keine Lust mehr habe, mir die Mühe überhaupt zu machen?, fasse ich das Problem in Worte.
Das ist zwar alles eine traurige Angelegenheit, aber – denk mal nach, was unsere Beziehung ausmacht. Lebt unsere Beziehung davon, dass du in der Bibel liest? Wenn es so wäre, hätten wir seit fast einem halben Jahr Funkstille.
Haben wir nicht.
Du hast genug Wasserspeicher, um eine Weile Trockenheit auszuhalten. Hab keine Angst, mein Freund. Eines Tages wirst du sie wieder mit Freude lesen können, macht er mir Mut.
Soll ich sie also besser wieder überall hin mitnehmen?
Aber da ist er schon aus der Leitung verschwunden.
fünfunddreißigstes Kapitel
Ich habe noch eine Menge zu tun, denn ich habe Mommi zum Jesus-Geburtstags-Essen eingeladen. Dazu muss ich zuhause vor allem anderen klar Schiff, bzw. klar Wohnung machen. Meine Wohnung befindet sich am Rande der Begehbarkeit, so kann ich keinen Besuch außer Pieter empfangen.
Stattdessen empfange ich Nachricht von meinem Bruder. Sein Fax (52) erwischt mich, als ich gerade das Schulgebäude in Richtung Feierabend verlassen will.
Ich lasse mich auf dem erstbesten Stuhl nieder, lege alle Taschen und Beutel rings um mich auf dem Boden ab und vertiefe mich in das Schreiben, dessen Buchstaben übrigens nicht halb so unleserlich sind wie meine. Cokkos Rechtschreibung ist auch viel besser. Ich kann mir die ganzen Schreibregeln der Worte, die ich so Tag für Tag benutze, nicht merken. Oft genug tanzen die Zeichen durcheinander als seien sie lebendige Wesen. Wenn man bedenkt, dass er die Sprache erst vor ein paar Jahren erlernt hat, muss man ihn wohl ein Sprachgenie nennen.
Sein Fax beginnt wie alle seiner Schreiben, egal ob sie auf Papier sind oder eine Email in Pieters Computer. „Hallo mein lieber großer Bruder“, steht da. Nach ein paar Fragen zu meinem Befinden und Auskünften zu seinem teilt er mir mit, dass er im Reisebüro war und seine Flüge gebucht hat. Er werde am 28.12. gegen 3:30 Uhr p.m. MEZ am Airport Schiphol sein und so viel Gepäck dabei haben, dass es vermutlich praktischer sei, sich ein Auto zu leihen. „Du kannst doch Autofahren?“, fragt er. Ebenfalls wie üblich hat er schwungvoll mit: „Cornelius McLachlan“ unterzeichnet, und dahinter: „Dein lieber kleiner Bruder“.
Ein Auto zu leihen ist sicher eine gute Idee, eine noch bessere ist aber, den Fahrer gleich dazu auszuleihen. Ich bin nicht besonders geübt im Autofahren und in großen Städten, wo viel Verkehr herrscht, behagt mir das Ganze erst recht nicht. Ich werde Pieter bitten, den Job zu übernehmen. Wie ich ihn kenne, wird er das gerne für mich tun. Außerdem ist er brennend neugierig auf Cokko, daher will er bestimmt sowieso mitkommen zum Flughafen.
Am selben Tag, aber erst abends, ruft Ieuwkje mich an. Sie ist aus Argentinien zurückgekehrt und zwar glücklich, wieder zuhause und bei den Lieben zu sein, zugleich ist sie aber auch traurig, denn die lange Reise hat ihr sehr gut gefallen. Sie eröffnet, dass sie sich freue, mich bald auf der Insel zu sehen und schon ganz gespannt auf meinen neuen Bruder sei, von dem Tante O ihr erzählt habe.
Am 19. Dezember beginnt es zu schneien, erst ganz sachte und fast heimlich, später werden die Flocken dicker und dichter. Als ich abends aus der Donnerstagsandacht komme, liegt Zuyderkerk unter einer geschlossenen Schneedecke. Das sieht toll aus. Spontan baue ich einen Mini-Schneemann und verwende seine Einzelteile anschließend für eine Schneeballschlacht mit einigen anderen Leuten. Es ist, als wolle sich das Wetter Mühe geben, dem kanadischen Heimkehrer einen guten Empfang zu bereiten. Kanada ist sicher von Atlantik bis Pazifik zugeschneit.
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